Stuttgart: Tausende protestieren gegen AfD

Mindestens 61 verletzte Gegendemonstranten / Kipping nennt Rechtsaußen eine »Partei der sozialen Arroganz« / Polizei nimmt Hunderte Protestierende fest / Blockaden und Barrikaden in Stuttgart / Offenbar drei Journalisten festgenommen

  • Lesedauer: 17 Min.

Update 18 Uhr: Über 500 Menschen in Gewahrsam
Nun hat auch das Polizeipräsidium Reutlingen eine Presseerklärung herausgegeben. »Bereits in den frühen Morgenstunden des Samstags kam es zu mehreren gewalttätigen Ausschreitungen und Blockadeaktionen durch das überwiegend linksautonome Spektrum«, heißt es darin - und die Holzlatten und Eisenstangen tauchen nun wieder auf: »An einer Baustelle nahmen mehrere Personen Latten und Stangen auf und errichteten damit Blockaden.« In der Bilanz der Sicherheitskräfte heißt es weiter: »Nach Schätzungen der Polizei mischten sich insgesamt 900 gewaltbereite Störer unter die ca.1.000 friedlich demonstrierenden Personen. Insgesamt wurden über 500 Personen in Gewahrsam genommen.« Es seien an der Messe drei Polizisten leicht verletzt worden. »Von Seiten des polizeilichen Gegenübers sind keine Verletzten mitgeteilt geworden. Etliche Strafverfahren wegen Landfriedensbruch, Beleidigung, Nötigung, Körperverletzung, Widerstand, gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr und Verstöße gegen das Versammlungsgesetz wurden eingeleitet.«

Update 17.40 Uhr: Polizei »mutmaßlich mit Kot beworfen«
Die Polizei hat sich nun auch mit einer Erklärung zu Wort gemeldet. Darin heißt es: »Bei Personenkontrollen nahmen die eingesetzten Beamten eine Frau und drei Männer zunächst in Gewahrsam, die Vermummungsmaterial, Wurfgeschosse und Messer mitgeführt hatten.« Von den angeblichen Holzlatten und Eisenstangen, über die man in Berichten von Nachrichtenagenturen unter Berufung auf die Polizei lesen konnte, ist hier keine Rede mehr. Zudem seien während einer Demonstration »vereinzelt bengalische Feuer und Rauchbomben gezündet«. Auch seien »Einsatzkräfte mit Gegenständen, darunter auch mit mutmaßlich mit Kot gefüllten Beuteln, beworfen worden«. Und: »Zu gewalttätigen Ausschreitungen kam es nicht. Nach Erkenntnissen der Polizei wurde niemand verletzt.« Das sehen die Demosanis aber anders.

Update 17.30 Uhr: Mindestens 61 verletzte Gegendemonstranten
Laut der Sanitätsgruppe Süd-West, die am Samstag zusammen mit anderen Sanitätsgruppen aus dem gesamten Bundesgebiet bei den Gegenprotesten gegen den AfD-Programmparteitag aktiv war, sind mindestens 61 Demonstranten verletzt worden. »In den frühen Morgenstunden wurde von der Polizei vom Schlagstock und Pfefferspray Gebrauch gemacht. Von den Sanitätern vor Ort wurden im Verlauf der Gegenveranstaltungen insgesamt 61 Patienten versorgt«, heißt es in einer Erklärung. »Es muss von einer uns nicht bekannter Dunkelziffer ausgegangen werden.« Bei der Demonstration durch Stuttgart habe man bislang »keine Personen sanitätsdienstlich« behandeln müssen.

Update 16.20 Uhr: AfD sieht »links-rot-grün verseuchtes 68er-Deutschland«
Was die Rechtsaußen sein wollen? Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen formuliert es so: Die AfD sei »modern konservativ«, »freiheitlich« und »patriotisch«. Der Zuzug von Geflüchteten sei nicht hinnehmbar, andernfalls werde man »unser Land in wenigen Jahren nicht mehr wiedererkennen«. Als Meuthen sagt, die AfD wolle »weg vom links-rot-grün verseuchten 68er-Deutschland«, tobt der Saal.

Update 15.30 Uhr: Tausende protestieren gegen AfD
Am Samstagnachmittag demonstrierten mehrere tausend Menschen in Stuttgart gegen den stattfindenden Bundesparteitag der Rechtspartei. Beobachter sprachen von 2000 bis 3000 Teilnehmern. Massive Kritik der Veranstalter gab es am Vorgehen der Polizei, die mehrere hunderte Menschen noch immer in Gewahrsam behält, die sich am Morgen an Blockaden gegen den Parteitag beteiligten. Inzwischen sollen sich nach Angaben eines Sprechers des Aktionsbündnis 600 Teilnehmer der Anti-AfD-Proteste in Gewahrsam seien. Die Polizei Reutlingen spricht von derzeit 500 Demonstranten.

Update 14.38 Uhr: Kipping warnt vor »Partei der sozialen Arroganz«
»Die AfD unterstreicht heute auf ihrem Parteitag, dass sie die Partei der sozialen Arroganz und des christlichen Fundamentalismus ist. Steuerpolitik: Millionen-Erbschaften sollen nicht mehr besteuert werden; sozialer Wohnungsbau: Fehlanzeige; Gesundheitspolitik: spielt keine Rolle. Statt dessen wird ein Familienbild aus dem 19. Jahrhunderts gepredigt: Frauen am Herd sollen sich um die sozialen Folgen ihrer Wirtschaftspolitik für Reiche kümmern. Weil das nur ein Programm für die obersten 1% ist, wird dieses Programm mit Hetze gegen Muslime und Geflüchtete zusammen geklebt. Und wieder einmal zeigt sich, dass das A in AfD für Ausgrenzung statt für eine wirkliche Alternative steht.«
(LINKEN-Vorsitzende Katja Kipping)

Update 14.00 Uhr: Regierender Bürgermeister Berlins nennt Rechtspopulisten wie AfD größte Gefahr für Demokratie
Die größte Gefahr für Demokratie und Freiheit geht nach Ansicht von Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD) in Deutschland derzeit von Rechtspopulisten wie der AfD aus. Das sagte er am Samstag auf einem Landesparteitag und reagierte damit auf eine Aussage der AfD-Vizevorsitzenden Beatrix von Storch, die den »politischen Islam« als »größte Bedrohung für Demokratie und Freiheit« bezeichnet hatte. »Ich will nicht hysterisch sein, aber in aller Klarheit sagen: Wir müssen kämpfen gegen diese Spalter in unserer Gesellschaft«, forderte Müller.

Von der Abgeordnetenhauswahl am 18. September müsse das Signal ausgehen, dass rechtspopulistische Parteien in Berlin keinen Platz hätten. Da dürfe auch kein Wähler mit seiner Stimme spielen und die AfD wählen, um anderen einen Denkzettel zu verpassen.

Update 13.05 Uhr: Pretzell schließt sich Front-National-Fraktion im EU-Parlament an
Die öffentliche Debatte über die AfD wird in den letzten Wochen wesentlich dadurch bestimmt, ob die Partei noch weiter nach rechts rückt. Folgender dpa-Meldung lässt sich entnehmen, dass Spitzenfunktionäre der Partei, die bisher als »gemäßigt« galten, wahrscheinlich politisch längst schon dort standen, sich öffentlich nur bedeckt hielten:

Der AfD-Europaabgeordnete Marcus Pretzell will sich der ENF-Fraktion anschließen, zu der die französische rechtsradikale Partei Front National gehört. Das kündigte Pretzell, der auch Vorsitzender des AfD-Landesverbandes in Nordrhein-Westfalen ist, am Samstag auf dem Bundesparteitag der AfD in Stuttgart an. Der Parteitag hatte zuvor entschieden, nicht - wie ursprünglich geplant - über die Fraktionszugehörigkeit von Pretzell abzustimmen. Pretzell sagte, die AfD solle eine »Klammer setzen«, um langfristig eine Vereinigung aller EU-kritischen Parteien herbeizuführen.

Die konservative EKR-Fraktion hatte Pretzell und der zweiten AfD-Abgeordneten Beatrix von Storch wegen verschiedener Äußerungen und aufgrund von Kontakten zu rechtsnationalen Parteien den Austritt nahegelegt. Von Storch wechselte daraufhin in die von der rechtspopulistischen britischen UKIP-Partei dominierte EFDD. Pretzell blieb und wurde schließlich von der EKR-Fraktion ausgeschlossen.

Update 12.40 Uhr: Polizei geht gegen Journalisten vor
Während sich die Rechtspartei AfD seit 11 Uhr immer noch mit sich selbst beschäftigt und bisher in keine inhaltliche Debatte eingestiegen ist, blicken wir noch einmal zu den Anti-AfD-Protesten vor der Messe in Stuttgart. Wie die Fotojournalisten von »24mmjournalism« via Twitter berichten, werden seit mehreren Stunden drei Reporter von der Polizei in der Gefangenensammelstelle festgehalten, die über die Gegenproteste berichteten. Eine Bestätigung seitens der Behörden gibt es dazu bisher nicht.

Der freie Fotojournalist Björn Kietzmann berichtet auf Twitter, er selbst sei von der Polizei fast eine Stunde an seiner Arbeit gehindert worden. Anlass war offenbar die Schutzausrüstung Kietzmanns, die der Reporter während seiner Berichterstattung oft dabei hat, um sich vor Angriffen zu schüzten. Unter Medienmachern sind unter anderem Schutzhelme während der Berichterstattung über Proteste üblich.

Update 11.50 Uhr: AfD in Umfragen zur Berliner Abgeordnetenhauswahl im Sinkflug
Dieses Jahr befand sich die Rechtspartei in zahlreichen Umfragen zu anstehenden Landtagswahlen oft im Höhenflug. Nun könnte sich eine erste vorsichtige Trendwende abzeichnen. Laut einer aktuellen Forsa-Umfrage käme die AfD bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl im Herbst nur noch auf sieben Prozent, berichtet die Berliner Zeitung. Gegenüber der Erhebung vom März wäre das ein Minus von zwei Prozentpunkten. »Der Trend für die AfD zeigt nach unten, auch bundesweit«, prognostiziert Forsa-Chef Manfred Güllner.

Update 11.20 Uhr: DGB-Chef Hoffmann warnt vor der Partei der »Besserverdiener«
DGB-Chef Reiner Hoffmann wirft der Rechtspartei AfD vor, »im diametralen Gegensatz zu den gewerkschaftlichen Grundwerten« zu stehen. »Sie gibt vor, eine Partei der kleinen Leute zu sein - de facto ist es eine Partei der Besserverdienenden«, warnt Hoffmann im Interview mit der »Stuttgarter Zeitung« (Samstagausgabe).

So stecke der AfD-Programmentwurf voller Widersprüche: Dies zeige sich etwa bei der Erbschaftssteuer, die abgeschafft werden solle. »Völlig verrückt wird es bei der Gewerbesteuer, die die AfD beseitigen will - damit würden den Kommunen jährlich 44 Milliarden Euro genommen«, kritisiert Hoffmann. »Das ist keine Politik für kleine Leute, sondern schlicht und ergreifend Unfug.« In den Kernthemen gute Arbeit, Steuergerechtigkeit und Rente habe die AfD »überhaupt keine Antworten«, so der DGB-Vorsitzende.

Mit Sorge sieht Hoffmannn, dass bei den letzten drei Landtagswahlen im März die AfD besonders stark unter Angestellten abgeschitten hatte. Hoffmann räumte ein, »dass Gewerkschaftsmitglieder im gleichen Umfang wie alle Wähler sowie Geringverdienende und Arbeitslose zum Teil noch überproportional AfD gewählt haben.« Gründe dafür seien unter anderem der Vertrauensverlust in die etablierten Parteien. »Aber auch wir müssen uns wesentlich stärker positionieren und darüber aufklären, dass es sich bei der AfD um eine zutiefst europafeindliche, nationalistische Veranstaltung handelt, die die Lebenssituation der Menschen auf Dauer verschlechtern wird«, mahnte Hoffmann.

Update 11.10 Uhr: Mazyek fragt: Warum hasst die AfD Muslime?
Der Zentralrat der Muslime hat AfD-Chefin Petry zu einem Treffen eingeladen. »Wir wollen wissen: Warum hassen Sie uns Muslime?«, fragt Zentralrats-Vorsitzender Aiman Mazyek im Interview mit der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. In einem Brief an Petry lud Mazyek die Chefin der Rechtspartei deswegen zur kommenden Vorstandssitzung ein, um mit Zentralrats-Vertretern über die Flüchtlingskrise aber auch über Islamfeindlichkeit zu diskutieren.

Update 10.55 Uhr: Ermittlungen gegen AfD-Politiker aufgrund Zigarettenschmuggels im großen Stil
Gegen den Brandenburger AfD-Politiker Jan-Ulrich Weiß ermittelt die Staatsanwaltschaft Neuruppin wegen des Verdachts auf Zigarettenschmuggel im großen Stil. Oberstaatsanwalt Detlef Hommes bestätigte am Samstag einen Bericht des Nachrichtenmagazins »Focus«. Die Zigaretten seien ins westeuropäische Ausland geschmuggelt worden, sagte Hommes. Weitere Einzelheiten wollte er mit Blick auf die laufenden Ermittlungen nicht nennen. Weiß war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Nach dem »Focus«-Bericht soll der Kreisvorsitzende der AfD in der Uckermark im März 2013 einen illegalen Transport von drei Millionen Zigaretten nach England organisiert haben. Bei dem Ermittlungsverfahren gehe es um den Verdacht der Steuerhinterziehung in Höhe von einer halben Million Euro.

Update 10.48 Uhr: Führungsstreit und Antragsmarathon
Turbulent dürfte es werden, wenn die AfD am Wochenende ihr erstes Bundesprogramm in der Stuttgarter Messe beraten will.

Update 10.30 Uhr: Die rechten Prokapitalisten
Ein Entwurf des AfD-Programms zeigt: Die Rechtsaußen wollen mehr Markt, »deutschen Wohlstand« und weniger öffentliche Hand. Wer im Kapitalismus unter die Räder kommt, soll sich selbst kümmern.

Update 10.18 Uhr: Ein bisschen FDP, ein bisschen DM-Partei
Was will die AfD? In der Flüchtlingspolitik ist die Angelegenheit klar: Grenzen für Geflüchtete schließen. Doch wie steht es um die Rechtspartei auf anderen Politikfeldern? In der breiten Öffentlichkeit wird kaum über die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Rechtspopulisten gesprochen. Dabei lohnt sich der Blick für eine tiefer gehende Kritik, denn die Anhängerschaft steht zwischen Standortnationalismus und Marktradikalismus.

Update 10.00 Uhr: Agenturen sehen nur »gewaltbereite Linke«
In den Nachrichtenagenturen wird sehr einseitig und meist nur unter Berufung auf Polizeiquellen über die Proteste gegen den AfD-Parteitag berichtet. Beim Evangelischen Pressedienst lautet die Schlagzeile: »Gewaltbereite Linke versuchen AfD-Parteitag zu verhindern« - einzige Quelle ist ein Polizeisprecher. »Vermummte Linksextreme«, »Störaktionen«, »Randalierer«, die Wortwahl lässt für Leserinnen und Leser praktisch keine Interpretation zu. »Nach Angaben des Polizeisprechers handle es sich um einige hundert gewaltbereite Gegendemonstranten«, schreibt epd, offenbar ohne sich selbst ein Bild zu machen. Nicht viel anders bei der AFP, die allerdings deutlich zurückhaltender mit politischen Rastern ist. Bei der Deutschen Presse-Agentur heißt es ebenfalls ausschließlich unter Berufung auf die Polizei, diese habe »von gewaltbereiten Linksautonomen« gesprochen. Na dann. »Auch in der Nähe des Tagungsorts blockierten Gegner den Zugang zu der Veranstaltung, wie eine dpa-Reporterin berichtete«, heißt es in der Agentur weiter. Rufe wie »Nazis raus« oder »Ade, Ade zu AfD« seien zu hören gewesen. »Die Polizei verfolgte mehrere Demonstranten quer über die Felder hinter dem Messegelände. Vor dem Eingang wurden mehr als ein Dutzend vorwiegend junger Demonstrationsteilnehmer mit Kabelbindern gefesselt und abgeführt. Die Demonstranten riefen ›Flüchtlinge bleiben, Nazis vertreiben‹ und ›Wir kriegen Euch alle‹. Die Protestler sind teils schwarz vermummt. Demonstranten hätten Eisenstangen und Holzlatten dabei, berichtete die Polizei am Morgen.« Diese Behauptung wird auch von vielen Newsportalen weiterkolportiert.

Update 9.15 Uhr: Polizei blockiert Zugang zu Anti-AfD-Kundgebung
Laut des Aktionsbündnisses gegen den AfD-Bundesparteitag hat die Polizei am Morgen die Zugänge zu der angemeldeten Kundgebung der Kritiker des Rechtsaußen-Treffens blockiert. Auch seien Polizisten auf Pferden durch die genehmigte Protestaktion geritten. Der Wasserwerfer – in Stuttgart weiß man, wie gefährlich diese Waffen sind – sei direkt auf die Demonstranten gerichtet. Es sei »eine einzige Eskalation von der Polizei«, hieß es. Die meisten Medien übernehmen derweil Behauptungen der Sicherheitsbehörden, weshalb überall von »gewaltbereiten Linksautonomen« die Rede ist, die angeblich »Eisenstangen und Holzlatten« dabeihaben würden.

Update 8.50 Uhr: Pfefferspray gegen AfD-Kritiker
Bei den Protesten gegen die Rechtsaußen-Partei AfD in Stuttgart geht die Polizei hart gegen Aktivisten vor. Wie vor Ort berichtet wird, wurde Pfefferspray eingesetzt, um Delegierten der AfD den Durchlass zu gewähren. Rund um die Messe in Stuttgart seien rund 1.500 Gegner der rechten Partei unterwegs. Die Aktionen führen bisher vor allem zu Stau im Umfeld - das blockiert auch die Anreise der Rechtsaußen. Die Aktionen sind friedlich, heißt es von den Organisatoren.

Update 8.25 Uhr: »Die Polizei sprach von gewaltbereiten Linksautonomen«
Und was schreibt die Deutsche Presse-Agentur so? »Einige hundert Demonstranten haben am Samstagmorgen versucht, den AfD-Bundesparteitag an der Messe in Stuttgart zu stören. Die Polizei sprach von rund 400 gewaltbereiten Linksautonomen. Die Demonstranten hätten Eisenstangen und Holzlatten dabei. Sie versuchten außerdem, das Bosch-Parkhaus zu blockieren, sagte ein Polizeisprecher am Morgen. Autoreifen hätten dort gebrannt. Die Polizei hat Wasserwerfer bereitgestellt. Mehr als 1.000 Sicherheitskräfte sind vor dem Stuttgarter Messegelände im Einsatz, um mögliche Konfrontationen zwischen AfD-Parteimitgliedern und linken Demonstranten zu verhindern.«

Update 8.15 Uhr: Polizei nimmt Hunderte Protestierende fest
Die Aktionen gegen den Parteitag der Rechtsaußen-Partei AfD sind kaum angelaufen, da hat die Polizei eigenen Angaben zufolge bereits »mehrere hundert Personen« in Gewahrsam genommen. Von den Sicherheitsbehörden heißt es, »800 bis 900 gewaltbereite Störer« seien »im Bereich der Messe« festgestellt worden. Dort hatten linke Aktivisten offenbar versucht, die Zufahrt zum AfD-Treffen zu blockieren.

Update 8.05 Uhr: Aktionsbündnis: »Polizei eskaliert«
Die Polizei sucht offenbar geradezu die Auseinandersetzung. Wie das Aktionsbündnis gegen den AfD-Parteitag mitteilte, dem knapp 50 Organisationen angehören, wurde der Lautsprecherwagen auf dem Weg zur Kundgebung »schon einen knappen Kilometer nach Start von der Polizei gestoppt - unter dem Vorwand, dass sich Leute auf der Ladefläche« befunden hätten sei dann versucht worden, »den ganzen Lkw« zu durchsuchen. Das Fahrzeug soll als Bühne für die Protestkundgebung dienen, die wegen eines Urteils nicht auf der Stuttgarter Messepiazza, sondern jetzt auf dem Fernbusbahnhof stattfinden wird. Man konzentriere nach dem Gerichtsbeschluss die Energie nun darauf, »an der Messe einen vielfältigen und großen Protest auf die Beine zu stellen. Wir lassen uns dabei nicht von der AfD und nicht von den Behörden spalten oder zurückdrängen«. Die Entscheidung des Gerichts sei auf »die eskalative Strategie der Polizeiführung« zurückzuführen, so das Bündnis mit Blick auf Äußerungen der Reutlinger Polizeiführung. »Unser Widerstand soll an diesem Tag von unterschiedlichen, ineinander greifenden Aktionen und Protestformen leben. Im solidarischen Zusammenspiel ziehen wir alle an einem Strang und lassen uns weder von den Rechten noch dem politischen Klima zurückdrängen oder spalten. Wir rufen alle, die kein Interesse an einer Verschärfung der Verhältnisse haben, auf, selbst aktiv zu werden. Machen wir dem Programmparteitag mit spürbarem Protest einen Strich durch die Rechnung«, wird noch einmal aus dem Aufruf zu den Protesten zitiert. Ab 7 Uhr waren Mahnwachen geplant, um 10 Uhr soll die Großkundgebung auf dem Fernbusbahnhof starten. Ab 13 Uhr findet eine Großdemo durch die Innenstadt statt - Startpunkt gegenüber dem Hauptbahnhof.

Update 8 Uhr: »Den nationalen Konsens zu brechen«
In einem Aufruf zu einem antinationalen und antiautoritären Block auf der Demonstration gegen den AfD-Parteitag in Stuttgart heißt es, »die linken Niederlagen von 2015 definieren die Rolle der radikalen Linken neu«. Die »schwarz-grün-roten Sachverwalter der bestehenden Ordnung« seien »Teil des Problems und nicht Teil der Lösung«, es sei wichtig auch gegen diese Kräfte einen »emanzipatorischen Begriff von Antifa« zu verteidigen. Dies heiße, »gegen den Nationalismus vorzugehen, der sich in der BRD inzwischen in der parteiübergreifenden Zustimmung zur autoritären Krisen- und Abschottungspolitik artikuliert«. Die Gefährlichkeit der AfD liege »nicht in einer drohenden Machtübernahme, sondern in der weiteren Verschiebung des Diskurses nach rechts, hin zu einer noch aggressiveren Durchsetzung der Vorrechte von Etablierten und weißen, männlichen Staatsbürgern«. Dagegen helfe kein »Aufstand der Anständigen«, »sondern nur – auch wenn es oldschool klingen mag – ein anständiger Aufstand, der den autoritären Charakteren ihre Schranken aufzeigt und, viel wichtiger noch, Bezugspunkt eines tatsächlich glaubwürdigen Ausbruchs aus der schlechten Verwaltung des Bestehenden werden könnte«. Stuttgart sei »der ideale Ort, um dem nationalen Konsens, der von Linken wie Sahra Wagenknecht über die liberale Mitte bis Rechtsaußen in einer allgemeinen Sorge um Deutschland besteht, mit dem nötigen Nachdruck die Perspektive einer unbegrenzten Solidarität entgegen zu setzen«. Die Aktionen gegen den AfD-Parteitag stünden »unter dem Imperativ, den nationalen Konsens zu brechen«.

Update 6 Uhr: Erste Blockaden gegen AfD-Parteitag in Stuttgart
Mit einem Großaufgebot belagern Polizisten den Raum Stuttgart - Anlass ist der Programmparteitag der Rechtsaußen-Partei AfD. Vor Ort machten bereits am Morgen Fotos von unzähligen behelmten Polizisten in Bahnhöfen und aufgefahren Wasserwerfern die Runde. Aktivisten versuchten bereits, mit Barrikaden und Sitzblockaden den Weg zum Treffen der Rechtspopulisten zu versperren. Auf einer Bundesstraße brannten Autoreifen. Die Polizei kesselte linke Demonstranten am Flughafen ein, von Pfefferspray-Einsatz der Polizei wurde berichtet. Mehr als 1.000 Sicherheitskräfte sind allein am Messegelände aufmarschiert, um den Parteitag abzusichern. Dafür haben sich mehr als 2.000 AfD-Mitglieder angemeldet.

Am Freitag waren die AfD-Gegner vor Gericht mit ihrem Protest gegen strenge Sicherheitsauflagen gescheitert. Das Verwaltungsgericht Stuttgart wies einen Eilantrag des Aktionsbündnisses ab - die öffentliche Sicherheit und Ordnung seien unmittelbar gefährdet, so die Begründung. Deshalb dürfe die Kundgebung nicht vor dem Eingangsbereich des Tagungsorts stattfinden. Antifaschistische Aktivisten hatten geltend gemacht, dass ihnen ein Protestplatz »außer Sicht- und Hörweite« vorgegeben worden sei.

Derweil hat der Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, die Rechtsaußen-Partei scharf kritisiert. Die AfD stehe »im diametralen Gegensatz zu den gewerkschaftlichen Grundwerten«. Sie gebe »vor, eine Partei der kleinen Leute zu sein - de facto ist es eine Partei der Besserverdienenden«, sagte er der »Stuttgarter Zeitung«. Die Widersprüchlichkeit des AfD-Programmentwurfs zeige sich etwa bei der Erbschaftssteuer, die abgeschafft werden solle. »Völlig verrückt wird es bei der Gewerbesteuer, die die AfD beseitigen will - damit würden den Kommunen jährlich 44 Milliarden Euro genommen«, so Hoffmann. »Das ist keine Politik für kleine Leute, sondern schlicht und ergreifend Unfug.« In den Kernthemen gute Arbeit, Steuergerechtigkeit und Rente habe die AfD »überhaupt keine Antworten«, so der DGB-Vorsitzende.

Trotz der Warnungen aus den Reihen des DGB hatte die AfD bei den drei Landtagswahlen im März unter Beschäftigten überdurchschnittlich gut abgeschnitten. Hoffmann räumte ein, »dass Gewerkschaftsmitglieder im gleichen Umfang wie alle Wähler sowie Geringverdienende und Arbeitslose zum Teil noch überproportional AfD gewählt haben - wir sehen es mit Sorge«. Dies habe mit dem Vertrauensverlust in die etablierten Parteien zu tun. »Aber auch wir müssen uns wesentlich stärker positionieren und darüber aufklären, dass es sich bei der AfD um eine zutiefst europafeindliche, nationalistische Veranstaltung handelt, die die Lebenssituation der Menschen auf Dauer verschlechtern wird.« Agenturen/nd

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