Im Körnerpark ist Musike

Mit einen 100-Tage-Fest feiert Neukölln 100-jähriges Bestehen von Grünanlage

  • Johanna Treblin
  • Lesedauer: 3 Min.
Zwischen Hermann- und Karl-Marx-Straße liegt das Gartendenkmal Körnerpark. Die französisch-englisch-neobarocke Anlage wurde vor 100 Jahren zum öffentlichen Park.

Am Herrentag ist der Körnerpark erstaunlich bierflaschenfrei. Hipstergruppen sitzen gesittet auf Picknickdecken. Zwei junge Männer spielen Gitarre und Bongo, eine Gruppe kleiner Mädchen tanzt dazu und juchzt im Takt der Musik.

Man könnte meinen, der Körnerpark habe sich für den kommenden Sommer herausgeputzt: Mit einem 100-Tage-Fest feiert der Bezirk Neukölln ab dem 4. Juni das 100-jährige Bestehen des Parks. Täglich sind Gärtner am Bewässern, Beschneiden und Blätteraufsammeln. Beete wurden neu bestückt, und der Platz vor dem Zitronencafé neu gestaltet. Das meiste davon ist allerdings Routine. Der Körnerpark steht unter Denkmalschutz, die gärtnerische Pflege hat ihm 2004 den Gustav-Meyer-Preis des Landes Berlin für außergewöhnliche Grünanlagen eingebracht.

Wer diese zum ersten Mal sieht, ist meist irritiert. Das erzählt auch Kulturbezirksstadtrat Jan-Christopher Rämer (SPD) zur Eröffnung der Ausstellung »100 Jahre Körnerpark« des Mobilen Museums Neukölln im Einkaufszentrum »Neukölln Arcaden«. »Jeder ist überrascht und fragt: ›Das ist Neukölln?‹ Ja, auch das ist Neukölln.«

Einst war der Park eine Kiesgrube. Franz Körner belieferte damit Bauunternehmen in ganz Berlin. Schnell war die Grube aber ausgeschöpft, und Körner suchte sich andere Quellen. In Neukölln - damals noch Rixdorf - legte er einen Privatgarten an, direkt an seiner Sommerresidenz. Ab und zu lud er Kinder aus der Nachbarschaft ein, Obst zu pflücken oder im Winter auf seinem Teich Schlittschuh zu fahren, erzählt Henning Holsten, Kurator der Ausstellung. In ganz Rixdorf gab es zu der Zeit keine öffentlichen Grünflächen. Das sollte sich ändern, entschieden die Stadtoberen, und überredeten den mittlerweile sterbenskranken Körner, der Stadt seinen Park zu vermachen. Der willigte schließlich ein, allerdings unter mehreren Bedingungen: Der Park sollte seinen Namen tragen, seine Familie von Steuern befreit werden und seine Sammlung von Fundstücken aus dieser und anderen Gruben in einem Museum ausgestellt werden. Von 1910 an gehörte die ehemalige Kiesgrube der Stadt.

Heute gelangt man am Westende über zwei Treppenanlagen zunächst auf eine Zwischenebene zur Orangerie. Dort ist das Zitronencafé untergebracht, eine Galerie und eine Bildhauerwerkstatt. Weitere Treppen führen hinunter in den von Mauern eingegrenzten Park: In der Mitte eine Wiese, umfasst von einem schmalen Wasserlauf, an den Seiten Bäume, Wege, Blumen, vor der Wiese Steinfiguren, am hinteren Ende ein Wasserfall und ein Brunnen. Eine Mischung aus englischem Landschaftsgarten, Versailles und Neobarock.

»Der Körnerpark war meist unpolitisierter öffentlicher Raum«, sagt Holsten. Für Aufmärsche war er zu klein und für andere politische Veranstaltungen ungünstig gelegen. Seit einiger Zeit hinterlassen Anarchisten unermüdlich im Park ihre Botschaften. Im Januar 2015 ätzten sie mit Essigwasser ein großes Anarcho-A in den Rasen, ihre Graffiti an den Mauern werden regelmäßig entfernt. Aktuell ziert eine der Westwände auch grammatikalisch autonom der Spruch: »Fight te Gouvernement.« Der Körnerkiez gehört laut Sozialbericht 2016 zu jenen mit »erhöhter sozialer Ungleichheit«, ebenso wie der Schulenburgpark und die Weiße Siedlung. Laut Quartiersmanagement leben hier 12 219 Menschen (Stand: 2013). Im Vergleich zu Gesamt-Berlin sind darunter doppelt so viele Menschen unter 34, aber nur halb so viele über 64 Jahren. Der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund liegt bei 54 Prozent. Die Zahl der Empfänger staatlicher Transferleistungen ist mit 35 Prozent mehr als doppelt so hoch wie in Gesamt-Berlin (14 Prozent). Doch auch hier hat die Gentrifizierung begonnen: Neben türkischen Shishabars bieten Cafés Latte Macchiato mit Sojamilch an, Kellner bedienen auf Englisch, und die Kita-Dichte nimmt zu.

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