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AfD scheitert bei Oberbürgermeisterwahl
Der neue Rathauschef von Brandenburg/Havel wird der alte von der CDU sein oder ein neuer von der SPD
»Axel Brösicke, Oberbürgermeister für Brandenburg« und »sozial, ohne rot zu werden«, stand auf Wahlplakaten des Stadtverordneten Axel Brösicke (AfD). Bei der Oberbürgermeisterwahl am Sonntag in Brandenburg/Havel ist er nicht direkt blass geblieben mit seinen 23 Prozent. Aber mit diesem Ergebnis ist Brösicke bereits aus dem Rennen. Denn besser als er schnitten zwei andere Männer ab: mit 24,4 Prozent Oberbürgermeister Steffen Scheller (CDU) und mit 26,4 Prozent der SPD-Kandidat Daniel Keip. Zwischen Scheller und Keip entscheidet sich am 23. November, ob die Stadt Brandenburg/Havel ihren bisherigen Rathauschef behält oder einen neuen bekommt.
Dass AfD-Kommunalpolitiker Brösicke die Stichwahl verpasst, ist überraschend. Das widerfährt Kandidaten seiner Partei in Brandenburg kaum noch. In der Regel unterliegen sie erst in der Stichwahl, wenn sich ein großer Teil der Wähler dann bereits ausgeschiedener Kandidaten sagt: Jeder andere Bewerber um den Posten ist immer noch besser als ein Rathauschef von der AfD. Darum gibt es im Land Brandenburg bisher auch noch keinen AfD-Bürgermeister, obwohl die Partei bei der Bundestagswahl im Februar mit ihren damals 34,4 Prozent im Land Brandenburg weit vor allen anderen Parteien gelandet war.
Bei den Urnenwählern, die ihre Stimme erst am Sonntag abgaben, lag Brösicke mit 26,5 Prozent auf Platz eins. Doch durch sein mit 13,7 Prozent schwaches Abschneiden bei den Briefwählern rutschte er – alle Stimmen zusammengerechnet – auf Platz drei ab. Dass Brösicke bei der Urnenwahl vorn lag, zeigt dem AfD-Landesvorsitzenden René Springer zufolge, dass ihm viele Bürger das Vertrauen aussprachen. Springer muss aber einräumen, dass die AfD diesmal hinter ihren Erwartungen zurückgeblieben ist. »Unser Ziel war klar die Stichwahl.«
»Dieses Ergebnis ist überwältigend und zeigt: Brandenburg will Veränderung.«
Sebastian Keip SPD-Kandidat
In anderen Fällen nutzte die AfD stark abweichende Ergebnisse bei Urnen- und Briefwahl, um anzuzweifeln, ob alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Dabei ist das vergleichsweise schwache Abschneiden der AfD bei den Briefwählern leicht erklärbar. Die Partei macht Stimmung gegen die Briefwahl und erweckt den Eindruck, hier könne manipuliert werden. Wenn dann folgerichtig vor allem AfD-Anhänger lieber ins Wahllokal gehen und nur selten per Brief abstimmen, dann soll das jedoch plötzlich ein Hinweis darauf sein, das eventuell etwas nicht stimmt.
»Es ist gut, dass die AfD nicht in die Stichwahl gekommen ist«, findet Linksfraktionschef René Kretzschmar. »Damit stehen inhaltliche Punkte im Zentrum der Wahlentscheidung bei der Stichwahl.« Persönlich will Kretzschmar die Wahl von Daniel Keip empfehlen, da dieser nicht nur verwalten, sondern gestalten wolle. »Er hat insbesondere im Sozialen und beim ÖPNV die größeren Schnittmengen zu unseren Ansätzen«, meint Kretzschmar.
Am Wochenende hatte der Linksfraktionschef noch Wahlkampf für die parteilose Kandidatin Birgit Patz gemacht, die von Linken, Grünen und Tierschutzpartei unterstützt wurde und 6,8 Prozent der Stimmen erhalten hat.
Diese nur 6,8 Prozent nannte die Kreisvorsitzende Christin Willnat »bedauerlich«. Positiv wertete sie, dass die AfD die Stichwahl verfehlte. »Dies ist ein klares Zeichen dafür, dass demokratische und weltoffene Positionen in Brandenburg an der Havel die Mehrheit haben.« Über eine Wahlempfehlung der Linken insgesamt wollten Kreisvorstand und Fraktion am Montagabend beraten.
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Daniel Keip ist Verwaltungswissenschaftler, 1986 in Brandenburg/Havel geboren, zum Studium nach Berlin, Potsdam und Tübingen gegangen, aber 2011 in die alte Heimat zurückgekehrt. »Dieses Ergebnis ist überwältigend und zeigt: Brandenburg will Veränderung«, freut sich der 39-Jährige über sein Abschneiden am Sonntag. Es sei ein »gutes Gefühl, dass Sozialdemokraten mal wieder eine Wahl gewinnen«, zitierte ihn das Internetportal meeting-point.de. Demzufolge rief Keip seine Unterstützer auf, in den nächsten 14 Tagen »noch mal richtig zu ackern und zu powern«. Keip habe gesagt: »Ich freue mich auf die nächsten 14 Tage, um dann die nächsten acht Jahre Oberbürgermeister zu sein.« Fotos und kurze Videos zeigen den auf der Wahlparty ausbrechenden Jubel.
Dagegen konnte Oberbürgermeister Scheller bloß sagen, er freue sich, es in die Stichwahl geschafft zu haben. Scheller hatte damit zu kämpfen, dass es mit der jungen Immobilienunternehmerin Julia Zureck eine parteilose Mitbewerberin gab, die attraktiv für Wähler war, die sonst für die CDU stimmen würden. Immerhin 15,3 Prozent fuhr Zureck ein. Der Einzelbewerber Steffen Tepper hat 3,9 Prozent der Stimmen bekommen.
Die Wahlbeteiligung lag bei 52,7 Prozent und damit deutlich über den 40,3 Prozent bei der Oberbürgermeisterwahl vor acht Jahren. Mit rund 74 000 Einwohnern ist Brandenburg/Havel die drittgrößte Stadt im Land Brandenburg.
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