Die Mietpreisbremse zieht nicht
Der Schutz vor Mieterhöhungen in Großstädten funktioniert trotz neuer Gesetzeslage bisher nicht
Vor knapp einem Jahr führte Berlin als erstes Bundesland die Mietpreisbremse ein. Heute sind die Mieten durchschnittlich noch immer 31 Prozent höher als zulässig. Das ergab laut der »Süddeutschen Zeitung« eine Studie des Forschungsinstituts Regiokontext. Dieses hatte im Auftrag des Berliner Mietervereins aktuelle Wohnungsangebote im Stadtgebiet der Hauptstadt ausgewertet.
Die Mietpreisbremse soll verhindern, dass Eigentümer nach jedem Mieterwechsel die Preise drastisch anziehen können. Zuvor war es zulässig, die Miete beliebig zu erhöhen, wenn ein neuer Mietvertrag geschlossen wird. Nach Angaben des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz kommt es dadurch in Großstädten wie Berlin, München oder Hamburg zu Preissprüngen von bis zu 40 Prozent. Durch die Mietpreisbremse darf der Preis bei Wiedervermietung nicht mehr als zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. Dies gilt jedoch nicht bei Neubauten und nach umfassender Modernisierung.
Bisher scheinen die neuen Gesetze jedoch ihre Wirkung verfehlt zu haben. »Die Mietpreisbremse wird nicht ernstgenommen«, sagte das Vorstandsmitglied des Deutschen Mieterbunds, Siegmund Chychla. »Es gibt zu viele Ausnahmen und keine Sanktionen.« Nur die wenigsten Mieter wehren sich gegen die unzulässigen Verträge, obwohl sie im Recht sind.
Für Caren Lay, bau- und wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, zeigt sich hier auch ein Versagen der Bundesregierung. Das Gesetz habe »schwere Konstruktionsfehler«: Zunächst sei es Sache der Länder, die Mietpreisbremse umzusetzen. Das führe dazu, dass sie derzeit nur in elf der 16 Bundesländern überhaupt angewendet werde. »Bezeichnenderweise nicht einmal im Saarland, der Heimat von Justizminister Maas«, fügt Lay hinzu. Außerdem seien Neubauten und modernisierte Wohnungen auf Druck der CDU und der Immobilienlobby von der Mietpreisbremse ausgenommen worden. »Das ist eine Einladung für Luxusneubau und für lukrative Modernisierungsmaßnahmen, die nur der Entmietung dienen«, so Caren Lay.
Auch der Berliner Senator für Stadtentwicklung Andreas Geisel (SPD) zweifelt an der Wirkung der Mietpreisbremse. Er wirbt daher für eine Bundesratsinitiative zur Nachjustierung des Gesetzes. Geisel will Vermieter verpflichten, die zuvor verlangten Preise anzugeben. Bisher müssen diese die Verträge erst vorlegen, wenn es zu einem Gerichtsprozess kommt. Der Berliner Senator erhofft sich, dass durch eine klarere Rechtslage mehr Mieter ihren Anspruch auf günstigere Mieten geltend machen.
Lukas Siebenkotten, Bundesdirektor des Deutschen Mieterbundes, begrüßt die Initiative des Stadtentwicklungssenators: »Die Bekanntgabe der Vormiete ist wichtig, sie schafft Transparenz«, sagte er. »Nach unseren Beobachtungen halten sich viele Vermieter nicht an die gesetzlichen Vorgaben.« Genauso wichtig sei es aber, Sanktionen für Vermieter in das Gesetz aufzunehmen, die sich nicht an die neuen gesetzlichen Regelungen halten.
Das Bundesjustizministerium geht derzeit davon aus, dass die Mietpreisbremse in Berlin wirkt. Dennoch hat Staatssekretär Ulrich Kelber (SPD) Verständnis für die Forderungen. Sollte sich herausstellen, dass die Mietpreisbremse wirkungslos sei, müsse man selbstverständlich dafür sorgen, dass nachgebessert wird, sagt er. Das Ministerium werde allerdings erst noch eine Auswertung des Wohnungsmarktes im Jahr 2017 abwarten. Bis dahin werden die Mieten in Berlin sicher weiter steigen.
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