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Küstenwache - diesmal nicht im ZDF

Libyen: EU-Außenminister beschließen, was EU-Militärs nicht leisten können

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Glaubt man einer Vorabendserie im ZDF, dann ist Deutschland geradezu prädestiniert, um anderen beim Aufbau einer Küstenwache zu helfen. Doch auch in Libyen?

Die EU-Außenminister sind sich einig: Waffenschmuggel nach Libyen eindämmen, libysche Grenzschützer ausbilden. So es überhaupt Aufgabe der EU sein kann - dafür wäre nur eine Polizeimission denkbar. Doch anders als im Fernsehen pfeift die Bundespolizei auf dem letzten Loch. Sie hat schon zwei (völlig untaugliche) Boote zur Flüchtlingsabwehr in die Ägäis geschickt. Wie immer in solchen Fällen ruft Politik nach Militär.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) will schon seit Wochen »etwas organisieren, was dringend notwendig ist: nämlich eine neue Küstenwacht für die neue Regierung in Libyen«. Seit dem Wochenende liegt bei der EU die entsprechende Bitte des von der EU etablierten libyschen Premierministers vor. Und nun?

Nun reden alle davon, das Mandat für die EUNAVFOR MED-Operation, auch »Sophia« genannt, auszuweiten. Deutschland beteiligt sich daran seit Sommer 2015 stets mit zwei Einheiten. Derzeit sind der Einsatzgruppenversorger »Frankfurt am Main« und die Fregatte »Karlsruhe« vor der libyschen Küste. Die Schiffe retten Flüchtlinge aus Seenot. Der Job verlangt den Marinesoldaten Tag für Tag sehr viel ab.

Ende vergangener Woche bekamen sie Besuch. Generalinspekteur Volker Wieker ließ sich einfliegen. Zur Truppenbetreuung. Zugleich aber debattierte er mit der italienischen Verbandsführung, wie es denn weitergehen könnte mit »Sophia«, was man denn noch tun könnte, um Fluchthelfer zu schnappen und die kraftlose libysche Küstenwache auf Vordermann zu bringen. Ergebnisreich waren Wiekers Gespräche sicher nicht.

Gewiss, Deutschland hat Erfahrungen bei der Sicherung von mediterranen Küstenabschnitten und der Ausbildung von fremden Marinesoldaten. Gerade ist von Warnemünde die Korvette »Braunschweig« ausgelaufen, um diesen Job im Rahmen des UNIFIL-Einsatzes vor Libanon zu erledigen. Auch dort soll - unter ungleich einfacheren Bedingungen als vor Libyen - der Waffenschmuggel verhindert werden. Deshalb hat man seit 2009 drei Korridore für die Handelsschifffahrt eingerichtet. Über 700 verdächtige Frachter wurden bislang an die libanesische Küstenwache gemeldet, die durchsuchte die Schiffe und fand - Zigaretten. Keine Waffen. Es finden sich andere Wege, um Mordgerät ins Land und weiter nach Syrien zu schmuggeln.

Doch in Libyen geht es weniger um die Unterbindung von Waffenschmuggel - zumal der Hafen von Tobruk voll steht mit gepanzerten Fahrzeugen und Pick-ups für die Milizen der EU-freundlichen Regierung. Die libysche Küstenwache will man beim Abfangen von Flüchtlingsbooten einsetzen - bevor sie vor den Küstengewässern in Seenot geraten und deren Insassen von »Sophia«-Schiffen aufgenommen werden müssen. Doch was die neue libysche Seestreitmacht dazu aufbieten kann, ist lächerlich. Selbst wenn alle vorhandenen Boote einsatzbereit wären, käme man nicht auf zwei Dutzend. Es fehlt jegliche Aufklärungstechnik, Hubschrauber gibt es nicht. Zudem hat das Zurückschleppen von Flüchtlingsbooten nach Libyen nichts mit der Bekämpfung der Fluchtursachen zu tun.

Nach unbestätigten Informationen warten derzeit bis zu 500 000 Flüchtlinge in Libyen auf eine Gelegenheit, mit Hilfe von Schleppern über das Mittelmeer zu gelangen. Die sind weder mit einer Küstenwache noch von den wenigen »Sophia«-Schiffen aufzuhalten. Ernst bleibt die Lage auch in Libyen. Es gibt jede Menge Stammesfehden. Zudem sollen 6000 IS-Kämpfer aktiv sein. Sie kontrollieren von Sirte bis Tobruk große Teile der libyschen Küste, verhindern den für Einnahmen so wichtigen Ölexport und sind eine Bedrohung für die Nachbarstaaten Tunesien und Ägypten.

Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis sich die NATO massiv einmischt - um dann vermutlich wie die Friedensnobelpreisträgerin EU zu versagen. Angeblich sind die Operationspläne für eine von Italien geführte 6000 Mann starke NATO-Interventionstruppe fertig. Von See her könnten Schiffe der NATO-Operation »Active Endeavour« eingreifen. Diese seit 2001 laufende Anti-Terroraktion mischt auch bei der Flüchtlingszurückweisung in der Ägäis mit.

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