Die Armut der Eltern trifft den Nachwuchs

Zahl der Betroffenen 2015 leicht gestiegen

  • Fabian Lambeck
  • Lesedauer: 3 Min.
Jedes siebte Kind in Deutschland erhält Hartz-IV-Leistungen. Die andauernde Konjunktur ändert daran wenig. Im Gegenteil: Im vergangenen Jahr kamen mehr als 33 000 Kinder hinzu.

Der deutsche Arbeitsmarkt zeigt sich robust. Immer aufs Neue vermeldet die Bundesregierung neue Beschäftigungsrekorde. Doch Millionen profitieren nicht von der guten Konjunktur. Im Gegenteil: Eine Auswertung von aktuellen Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) durch die Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann (LINKE) belegt, dass die Zahl der Kinder auf Hartz IV sogar zugenommen hat. Dies macht ein vergleichender Blick auf die vergangenen beiden Jahre deutlich: Wurden 2014 rund 1,5 Millionen »nicht erwerbsfähige Leistungsbezieher« erfasst, waren es 2015 durchschnittlich schon 1, 54 Millionen unter 15-Jährige. Im Vergleich zu 2014 ist ihre Zahl um mehr als 33 000 oder 2,2 Prozent angestiegen. Eine Sprecherin der BA bestätigte gegenüber »nd« die Angaben aus der Auswertung des Büros Zimmermann. Demnach ist mittlerweile jedes siebte Kind in Deutschland auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen.

Dabei sind die regionalen Unterschiede zwischen Nord und Süd sowie Ost und West sehr groß: In Bremen und Berlin war Ende 2015 fast jedes dritte Kind auf Sozialleistungen angewiesen, in Bayern nur 6,5 Prozent. In den ostdeutschen Ländern bezieht ein Fünftel der Kinder, also rund 20 Prozent, Hartz-IV-Leistungen, in Westdeutschland 13 Prozent. Wobei im Osten leichte Unterschiede auszumachen sind: Während in Sachsen-Anhalt fast 22 Prozent aller Kinder in einem Hartz-IV-Haushalt aufwachsen, sind es in Brandenburg 16,2 Prozent und in Thüringen 17,3 Prozent. Im Freistaat war die Zahl der betroffenen Kinder, ebenso wie in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern, in den vergangenen Jahren rückläufig. In Berlin hingegen nahm die Zahl der armen Kinder zu. Mittlerweile überweisen die Ämter der Hauptstadt für 31,5 Prozent der Heranwachsenden Hartz-IV-Leistungen.

Angesichts der dramatischen Entwicklung fordert Sabine Zimmermann eine Erhöhung der Regelsätze für Kinder anstelle des aus Sicht der LINKEN gescheiterten Bildungs- und Teilhabepakets. Langfristig müsse die Kindergrundsicherung zu einer eigenen Leistung im Sozialsystem entwickelt werden.

Genau betrachtet gehe es beim Thema Kinderarmut nicht unmittelbar um die Armut der Kinder, sondern um die Armut ihrer Eltern, so Zimmermann. »In der enormen Anzahl der Hartz-IV-Beziehenden mit Kindern spiegeln sich die in vielen Regionen immer noch angespannte Arbeitsmarktlage mit viel zu wenigen Arbeitsplätzen und Niedriglöhne wider.«

Tatsächlich haben viele Alleinerziehende große Probleme, auf dem Arbeitsmarkt ein ausreichendes Einkommen zu erzielen. Die Autoren einer Studie der Bertelsmann-Stiftung nennen das Phänomen »Sozialleistungsfalle«. Fast die Hälfte der Alleinerziehenden arbeitet in Vollzeit, insgesamt 70 Prozent sind erwerbstätig - dennoch reicht das Geld oft nicht aus, um vernünftige Kleidung, gesundes Essen oder Schulausrüstung zu bezahlen. Der Studie zufolge leben Kinder in »Ein-Eltern-Familien« fünfmal häufiger von Hartz IV als Kinder in klassischen Paarfamilien. Fast 40 Prozent aller Alleinerziehenden, zum überwiegenden Teil Frauen, mussten 2014 Leistungen beim Jobcenter beantragen. In der Bundesrepublik leben etwa 2,2 Millionen Kinder in Haushalten mit nur einem Elternteil.

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