Clara Bünger: »Wichtig ist, dass wir uns nicht spalten lassen«

Die Linksfraktion lädt am Freitag zu einer Konferenz in den Bundestag ein

»Rassistischer Scheissverein«: Während der Proteste gegen CDU und AfD wurde das ein oder andere Wahlplakat in Mitleidenschaft gezogen.
»Rassistischer Scheissverein«: Während der Proteste gegen CDU und AfD wurde das ein oder andere Wahlplakat in Mitleidenschaft gezogen.

Am Freitag veranstaltet Die Linke im Bundestag die Konferenz »(Selbst-)Verteidigung der Zivilgesellschaft«. Was war der Anlass für die Veranstaltung?

Die Idee entstand durch die »kleine« Anfrage der Union mit 551 Fragen zur Finanzierung und zu persönlichen Verbindungen zivilgesellschaftlicher Organisationen. Damit hat die Union gezeigt, wo sie steht: Offenbar stört sie sich massiv daran, dass diese Organisationen Menschenrechte verteidigen, antifaschistische Proteste unterstützen, Betroffene rechter Gewalt beraten und demokratisches Engagement stärken. Dahinter steht ein zunehmend autoritärer Kurs der Partei. Die Union will alle einschüchtern, die nicht ihrer Meinung sind.

Wie bewerten Sie die aktuelle Bedrohungslage für zivilgesellschaftliche Strukturen in Deutschland?

Die Zivilgesellschaft steht unter großem Druck: Organisationen droht der Entzug von Fördermitteln, weil sie politisch »unliebsam« sind. Besonders betrifft das geflüchteten- und palästinasolidarische Stimmen. Wir erleben Eingriffe in die Wissenschaftsfreiheit, Einschränkungen der Versammlungs- und Pressefreiheit, brutale Polizeigewalt auf Demonstrationen. Rechte von Asylsuchenden werden zunehmend ausgehöhlt. Und wenn Gerichte dem Einhalt gebieten, etwa mit dem Beschluss des Berliner Verwaltungsgerichts zu Zurückweisungen an den Grenzen, setzt die Bundesregierung sich kurzerhand darüber hinweg. All das ist Ausdruck einer autoritären Entwicklung, der wir mit unserer Konferenz etwas entgegensetzen wollen.

Interview

Clara Bünger, Jahrgang 1986, ist innen­politische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundes­tag. Die studierte Juristin engagierte sich vor ihrem Einzug in den Bundes­tag 2022 unter anderem bei der inter­natio­na­len Bewegung Seebrücke.

Wie gravierend schätzen Sie die Aktionen der CDU ein?

In der Union tobt aktuell ein Flügelkampf, und vieles deutet darauf hin, dass rechte Stimmen sich durchsetzen werden. Diese Stimmen sprechen sich für eine Normalisierung der AfD aus. Teil ihres rechten Kulturkampfes ist es, rechtsstaatliche Grundsätze zu schleifen und NGOs als elitäre Minderheit darzustellen, die einen vermeintlichen »Volkswillen« torpediere. Vor einigen Jahren kannten wir das von der AfD, jetzt übernimmt die Union diese Politik.

Muss man die AfD groß fürchten, wenn man eine solche CDU bereits hat?

Es ist bemerkenswert, dass all die Entwicklungen, mit denen wir uns auf der Konferenz auseinandersetzen wollen, von Parteien vorangetrieben werden, die sich selbst in der »Mitte der Gesellschaft« verorten. Die AfD baut natürlich Druck von rechts auf, aber umgesetzt wird die autoritäre Politik von Union, SPD – teilweise sogar unter Mitwirkung der Grünen innerhalb der Ampel. Wir wollen uns Gedanken darüber machen, wie wir eine wirksame Opposition von unten aufbauen können. Wir dürfen nicht bei der Verteidigung des Status quo stehen bleiben. Der Rechtsverschiebung setzen wir das Ziel einer umfassenden Demokratisierung der Gesellschaft entgegen.

Welche Ansätze zur Selbstverteidigung der Zivilgesellschaft versprechen Sie sich von der Konferenz?

In den Workshops beschäftigen wir uns mit der von Merz und Dobrindt ausgerufenen »Asylwende«; mit Bemühungen der Bundesregierung, Recherchemöglichkeiten und Transparenz einzuschränken – Stichwort Informationsfreiheitsgesetz; mit dem Gemeinnützigkeitsrecht und dem (angedrohten) Entzug von Finanzmitteln und schließlich mit zunehmender staatlicher Repression. Wir haben uns für dieses breite Themenspektrum entschieden, um unterschiedliche Aspekte der autoritären Entwicklung zu diskutieren. Außerdem wollen wir mit verschiedenen Akteuren ins Gespräch kommen: mit Aktivist*innen, aber auch mit Personen, die »beruflich« in der Zivilgesellschaft tätig sind.

Gibt es aktuelle parlamentarische Initiativen der Linken, mit denen Sie die Zivilgesellschaft verteidigen oder unterstützen wollen?

Die Legislatur hat erst vor wenigen Wochen begonnen, deshalb ist die Zahl der parlamentarischen Initiativen momentan noch überschaubar. Zur Verteidigung der Rechte von Geflüchteten haben wir aber bereits Anträge eingebracht, etwa zu den rechtswidrigen Zurückweisungen. Zum Thema Gemeinnützigkeit liegen Initiativen aus der letzten Legislative vor, die aktualisiert werden müssen. Bei der Konferenz geht es nicht zuletzt darum, der Zivilgesellschaft zuzuhören und Aufträge für unsere Arbeit im Parlament mitzunehmen. Ich bin sicher, dass daraus einiges entstehen wird.

Ist die Konferenz ein Auftakt für eine dauerhafte Vernetzung oder neue politische Bündnisse? Eine moderne Einheitsfront von Bewegungsebene und Partei?

Mit vielen der Referent*innen und Konferenzteilnehmer*innen arbeiten wir seit Jahren gut zusammen. In der aktuellen Situation stellt sich aber die Frage, wie wir die progressive politische Arbeit innerhalb und außerhalb der Parlamente noch besser vernetzen können. Wichtig ist, dass wir uns nicht spalten lassen, etwa entlang der Frage der Palästina-Solidarität, und unsere Grundrechte gemeinsam verteidigen. Dafür soll die Konferenz ein Auftakt sein. Wir freuen uns und sind gespannt, wohin uns die Diskussionen führen.

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