Schonfrist für Glyphosat

EU-Kommission plant befristete Zulassungsverlängerung / Bundesregierung weiter uneinig

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 2 Min.
Das umstrittene Pestizid Glyphosat soll nach dem Willen der EU-Kommission erneut für 18 Monate zugelassen werden. Umweltverbände kritisieren den Kompromissvorschlag.

Vytenis Andriukaitis wirkt ziemlich mürrisch an diesem Morgen im Brüsseler Pressezentrum, als er vor Journalisten einen erneuten Vorschlag seiner Kommission vorträgt. Die will die Zulassung von Glyphosat in Europa um zwölf bis 18 Monate vorläufig verlängern. Dieser Kompromiss soll den Vertretern der 28 EU-Mitgliedstaaten am Montag zur Abstimmung vorgelegt werden. EU-Gesundheitskommissar Andriukaitis erklärte, er hoffe jetzt auf eine »breite Mehrheit«. Zwei Kompromissvorschläge der Kommission hatten zuvor nicht die erforderliche qualifizierte Mehrheit erreicht.

Mit dem neuen Vorschlag will die Kommission es ermöglichen, dass eine Studie der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA) in die Entscheidung einbezogen werden kann. Die ECHA soll in den nächsten Monaten eine Studie abschließen, die weiteren Aufschluss über mögliche Gefahren von Glyphosat geben soll. Umweltverbände hatten zuvor kritisiert, dass diese bereits angekündigte Studie von der EU-Kommission unbeachtet bleiben sollte. Auf Grundlage der ECHA-Ergebnisse will die Kommission dann über eine dauerhafte Zulassung von Glyphosat entscheiden.

Andriukaitis erinnerte zudem daran, dass es Mitgliedsstaaten schon jetzt freistehe, Produkte, die den Wirkstoff Glyphosat enthalten, zu verbieten. Die Kommission will den Mitgliedstaaten empfehlen, den Einsatz des Ackergiftes bei der Vorerntebehandlung, in öffentlichen Parks, auf Spielplätzen und in Gärten einzuschränken. In der Landwirtschaft soll das Herbizid jedoch ohne jegliche Einschränkungen eingesetzt werden können.

Die Bundesregierung könnte sich bei der Abstimmung am Montag wie bisher enthalten. Während Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) eine weitere Zulassung befürwortet, lehnen die SPD-geführten Ministerien diese weiterhin ab. Solange die Unbedenklichkeit von Glyphosat nicht vollkommen erwiesen sei, würden die SPD-Ministerien auch keiner befristeten Verlängerung zustimmen, erklärte ein Sprecher des Umweltministeriums in Berlin. Zudem verwies er auf die Forderung von Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD), die Zulassung in jedem Fall an Auflagen zu knüpfen, die unter anderem den Artenschutz berücksichtigten.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisierte den Kompromissvorschlag als »Tropfen auf den heißen Stein«. BUND-Pestizidexpertin Heike Moldenhauer forderte, »die Mitgliedstaaten dürfen sich keinesfalls auf diesen faulen Kompromiss einlassen.« Sie warf der Kommission eine »Politik im Sinne der Glyphosat-Hersteller« vor. Die Anwendung des in der EU geltenden Vorsorgeprinzips wäre stattdessen das Gebot der Stunde, so Moldenhauer.

Der agrarpolitischer Sprecher der Grünen/EFA-Fraktion, Martin Häusling, begrüßte, dass die EU-Kommission dem öffentlichen Druck »trotz immenser Lobbyarbeit der Agrochemiekonzerne und dubioser personeller Verflechtungen« nachgegeben habe, kritisierte aber, sie habe sich nur »widerwillig durchgerungen, den Mitgliedstaaten zu empfehlen, Einsätze einzuschränken statt das wahrscheinlich krebserregende Pflanzenschutzmittel sofort zu verbieten«. Kommentar Seite 4

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