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Wohnen nur für Gutverdiener

In vielen deutschen Städten wird der Wohnungsmarkt immer angespannter

  • Rainer Balcerowiak
  • Lesedauer: 3 Min.
Wer nach Berlin, München oder Dresden ziehen will, sollte einen guten Job in Aussicht haben. Bezahlbarer Wohnraum ist in immer mehr Städten absolute Mangelware. Auch kleine Wohnungen gibt es kaum.

Für Gering- und Durchschnittsverdiener wird die Lage auf dem Wohnungsmarkt in den meisten Großstädten immer dramatischer. Besonders in Berlin sind die Nettokaltmieten bei Neuvermietungen nahezu explodiert. Der eklatante Mangel besonders an kleineren Wohnungen wird diesen Trend weiter verschärfen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) und der Privatbank Berenberg, die am Donnerstag in Berlin vorgestellt wurde. Untersucht wurden die Wohnungsmärkte in den 20 größten deutschen Städten in Relation zu den jeweiligen wirtschaftlichen Rahmendaten. Außer Berlin weisen auch Dresden, Stuttgart, Hannover , Bremen und Düsseldorf Steigerungsraten auf, die deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 25 Prozent liegen. Am Ende der Skala finden sich Wuppertal, Bochum und Duisburg, wo die Neuvermietungspreise in einigen Segmenten sogar rückläufig sind.

In Berlin stiegen die Angebotsmieten für Wohnungen mit mittlerem und gutem Wohnwert im Betrachtungszeitraum zwischen 2004 und 2014 um 57 beziehungsweise 67 Prozent. In besonders begehrten Altstadtkiezen im östlichen Teil der Stadt wurden sogar Werte von um die 90 Prozent ermittelt. Zwar liegen die durchschnittlichen Neuvertragsmieten mit 7,45 beziehungsweise 8,75 Euro pro Quadratmeter nettokalt noch immer deutlich unter dem Niveau von Metropolen wie Hamburg, München und Frankfurt, allerdings sind die verfügbaren Haushaltseinkommen in Berlin auch deutlich niedriger. In absoluten Zahlen gerechnet verbleiben einem Münchener nach Abzug der Mietkosten durchschnittlich noch 20 253 Euro pro Jahr, in Berlin sind es lediglich 13 962 Euro. Nur in Leipzig sind es noch 150 Euro weniger. Und das seien nur Durchschnittswerte, betonte die HWWI-Volkswirtin und Studienautorin Dörte Nitt-Drießelmann. In Berlin, aber auch in einigen anderen Großstädten, lägen die Haushaltseinkommen bei 70 Prozent und mehr der Bewohner unter dem bundesdeutschen Durchschnitt. Das gelte auch für die Einkommensentwicklung. Diese habe im Beobachtungszeitraum mit einem durchschnittlichen Plus von 17 Prozent ohnehin nicht mit der Mietentwicklung Schritt gehalten. »Aber gerade in Städten wie Berlin, mit sehr vielen Beziehern von Hartz-IV-Leistungen, einer hohen Erwerbslosenquote und vielen schlecht bezahlten Jobs im Dienstleistungssektor ist diese Schere noch weiter auseinander gegangen« so Nitt-Drießelmann.

Als Hauptursachen für die Mietentwicklung sehen die Autoren die unerwartet starke und vor allem anhaltende Binnenwanderung in die prosperierenden Metropolregionen sowie die nachhaltige Veränderung der Lebensverhältnisse in den meisten Großstädten. Dort leben inzwischen inzwischen über 50 Prozent der Bewohner in Singlehaushalten und weitere 25 Prozent in Zwei-Personen-Haushalten. Dem steht in vielen Städten mit ohnehin angespanntem Wohnungsmärkten ein viel zu geringes Angebot an 1-bis-2-Zimmer-Wohnungen gegenüber. Besonders krass ist dieses Missverhältnis in Hannover, wo der Anteil von solchen kleineren Wohnungen am Bestand nur 15 Prozent beträgt. Während Gutverdiener und Vermögende auch in hochpreisigen Städten auf größere Wohnungen oder den Immobilienerwerb ausweichen können, haben Gering- und Durchschnittsverdiener diese Möglichkeit nicht, zumal die Preise für Eigentumswohnungen in vielen Städten ebenfalls explodiert sind.

Für Nitt-Drießelmann liegen die Schlussfolgerungen aus den Erhebungen auf der Hand: »Wir brauchen in den meisten Großstädten forcierten Neubau von bezahlbarem Wohnraum, besonders im Segment der 1-bis-2-Zimmer-Wohnungen.« Ob dies durch finanzielle Anreize für private Investoren oder durch verstärkte Bautätigkeit kommunaler Träger realisiert werde, sei egal. Aber vor allem müssten die Planungsprozesse, von der Identifizierung möglicher Flächen bis hin zu den Baugenehmigungen deutlich beschleunigt werden.

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