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Von wegen Provinz

Zwischen Weinberg und Großstadt - Das Mandelring Quartett schließt am Sonnabend in der Philharmonie seinen aktuellen Berlin-Zyklus ab

  • Antje Rößler
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Heimatliebe erkennt man am Namen. Die Geschwister Nanette, Bernhard und Sebastian Schmidt haben ihr Ensemble nach der Straße benannt, in der ihr Elternhaus steht: dem Mandelring in Neustadt, der sich in die Weinhügel am Hang des Pfälzerwaldes schmiegt. Die Schmidt-Geschwister wuchsen hier in einem ehemaligen Weingut auf, einem rustikalen Gemäuer, in dem sich bis heute ihr Probenraum befindet.

Spätestens mit seinen Quartettzyklen von Schostakowitsch und Mendelssohn hat sich das vor über drei Jahrzehnten gegründete Mandelring Quartett in der Kammermusik-Elite etabliert. Die Musiker gastieren in ganz Europa; unter anderem mit einem Zyklus in der Berliner Philharmonie. Doch der Mandelring bedeutet nach wie vor Heimat. Zwei der Musiker wohnen ganz in der Nähe. Und schon vor 20 Jahren hat das Mandelring Quartett im benachbarten Weindorf Hambach ein eigenes Festival gegründet.

Zum Hambacher Musikfest reisen über Fronleichnam ein paar befreundete Kollegen an; und dann wird in allerlei gängigen und kuriosen Besetzungen miteinander musiziert. In diesem Jahr kam zum Beispiel Laura Ruiz Ferreres, die jahrelang als Solo-Klarinettistin an der Komischen Oper engagiert war. Mit ihr zusammen hat das Mandelring Quartett eine Aufnahme der Brahms-Klarinettenkammermusik vorgelegt.

Markenzeichen des Ensembles ist ein höchst präziser Zusammenklang, der einhergeht mit formaler Gestaltungskraft und musikantischem Temperament. Andreas Willwohl, der neue Bratscher des Quartetts, hat sich in diese Klangkultur bestens eingefügt. Der langjährige Solobratscher des Berliner Rundfunk-Sinfonieorchesters löste im Herbst Roland Glassl ab, den Jugendfreund der Schmidt-Geschwister. Glassl war aber wieder mit von der Partie, als kürzlich die Brahms-Streichquintette eingespielt wurden. Die CD erscheint im Oktober und wird dann im Berliner Radialsystem präsentiert.

Bis heute ist das Schmidtsche Elternhaus die Schaltzentrale eines kammermusikalischen Familienbetriebs. Die Mutter der Musiker sorgt für die Beköstigung während der Proben und betreut die Enkel, wenn eine Tournee stattfindet. Wobei die Älteste, eine Neuntklässlerin, bereits den CD-Verkauf übernimmt. Der Vater, einst Lehrer für Musik und Altgriechisch, gräbt immer mal wieder aufführungswürdige Raritäten aus, gibt Einführungsvorträge und kümmert sich um Organisatorisches. Das einheimische Publikum begeistert er mit selbstgereimten Anti-Klingelton-Sinnsprüchen von der Art: »Kein Künstler eine Frau anhimmelt, wenn im Konzert das Handy bimmelt.«

Immerhin 500 Mitglieder hat der Förderkreis des vom Mandelring Quartett geleiteten Hambacher Musikfests. Staunend erlebt der aus der Großstadt angereiste Besucher, wie das Festival den sozialen Zusammenhalt und ehrenamtlichen Enthusiasmus beflügelt. Nach einem Konzert in der Dorfkirche rollte ein Dutzend Besucher den Konzertflügel über den Pfarrhof bis auf die Straße - Treppenstufen inklusive. Dieses Ritual wird anschließend im Weinkeller gefeiert, wo der ortsansässige Männerkochclub seine Kreationen auftischt. Andere Konzerte finden gleich direkt auf den Weingütern statt. Dieses Umfeld dürfte dazu beigetragen haben, dass das Mandelring Quartett auch bei sperriger Musik nie verkopft klingt. Und dass es andererseits die Serenaden und Ständchen der Mozartzeit stets frisch und natürlich, ohne klebrige Süße darbietet.

Die Berliner Philharmonie ist der einzige Ort, an dem das Mandelring Quartett eine regelmäßige Reihe außerhalb seiner Heimat anbietet. Zum Saisonende am 4. Juni schlagen die Musiker unter dem Motto »Genie und Wahnsinn« einen Bogen von Mozarts »Jagd«-Quartett über Schumann bis zu dem expressiven Streichquartett von Viktor Ullmann, das 1943 in Theresienstadt entstand.

www.mandelring.com

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