Zum Spielen ins Feuerzeug

Die dänische Insel Fünen bietet märchenhafte Erlebnisse für Große und Kleine. Von Gabi Kotlenko

Henrik Neelmeyer hat den vielleicht schönsten Arbeitsplatz auf der dänischen Insel Fünen. Er darf jeden Morgen in ein Schloss fahren. Der König ist er nicht, aber der Direktor eines märchenhaften Anwesens im Süden des Eilands. Mitten in diesem riesigen Park steht das Schloss Egeskov - eine Wasserburg, die sich aus dem See erhebt. Das Schloss wurde 1554 auf etwa 2000 Eichenpfählen errichtet. Dafür soll damals ein ganzer Wald gefällt worden sein. Daher kommt auch der Name des Schlosses, der übersetzt »Eichenwald« heißt.

123 Schlösser gibt es auf Fünen. Egeskov mitsamt seinem Park ist das schönste von allen. Es ist sicher nicht übertrieben, das Schloss als Europas sehenswerteste Wasserburg zu bezeichnen. 200 000 Besucher finden jedes Jahr den Weg nach Egeskov. 2015, weiß Henrik Neelmeyer, kamen sie aus fast allen Ländern der Erde, die von der UNO anerkannt wurden. Außer aus Albanien. Fast 300 Jahre alte verschlungene Hecken säumen den Weg durch den Park. Irgendwie wird man ein bisschen an Harry Potters Hogwarts erinnert. »Wir wissen nicht, wie alt die werden können«, meint der Direktor. Auf die Frage, ob nicht manchmal der Gedanke an Schlossgespenster kommt, antwortet er: »Ich habe keine gesehen in den letzten 800 Jahren.«

Infos

Lage und Anreise:
Zur dänischen Insel Fünen gelangt man über Flensburg und dann über die Brücke bei Middelfart oder mit der Fähre ab Fynshav nach Bøjden
www.faergen.de/service/preise/alsfaergen.aspx

Schloss Egeskov:
www.egeskov.dk/de
info@egeskov.dk
Geöffnet von Ende April bis Ende Oktober und die ersten drei Wochenenden im November zum Weihnachtsmarkt

Bridgewalking in Middelfart:
www.bridgewalking.de

Andersen-Museum in Odense:
http://www.museum.odense.dk
LOWEI@odense.dk

Schaumkusskurs:
www.det-sode-liv.dk
kontaktos@det-sode-liv.dk

Eismanufaktur auf Skarø:
www.isfraskaroe.dk
info@isfraskaroe.dk

Allgemeine touristische Infos zu Fünen:
www.visitfyn.de

Das Fleckchen Erde ist eine riesige Spielwiese für mehrere Generationen. »Eltern arbeiten meist Vollzeit, die Kinder sind in Kita oder Schule. Keiner hat im Alltag genug Zeit für den anderen«, sagt Henrik Neelmeyer. »Hier aber gibt es Spielmöglichkeiten für zwei Jahre«, meint er schmunzelnd. Und das bei weitem nicht nur für die Kinder. Der Park bietet Beschäftigung und gemeinsame Erlebnisse für Kinder, Eltern und Großeltern. Wie wäre es mit einer Klettertour über eine 100 Meter lange Hängebrücke in 15 Metern Höhe in den alten Buchen? Oder einer Segway-Tour durch den Park? Oder einem Seifenkistenrennen? Die Oldtimer-Sammlung ist in einer ehemaligen Scheune untergebracht. Mopeds und Motorräder hängen hier an der Decke, damit die Besucher das Innenleben der Fahrzeuge besser sehen können. In den beiden Irrgärten haben sicher alle Generationen Spaß. Und Draculas Gruft - hier kommt bei Schlossherr Graf Michael Ahlefeldt-Laurvig-Bille wohl das Kind im Manne durch - bietet ein bisschen Gänsehautgefühl.

Vor allem im Juli und August ist der Garten ein Meer von Farben. In der Hochsaison arbeiten hier zehn Gärtner, im Winter sind es fünf. Ihnen ist es sicher hauptsächlich zu verdanken, dass der Schlossgarten von Egeskov im Jahr 2012 mit dem European Garden Award ausgezeichnet wurde. Hier wachsen Rosen aus all den Ländern der Welt, wo es diese Blume gibt.

Auf dem Dachboden des Treppenturmes soll übrigens eine Holzfigur liegen, die früher einen Saal des Schlosses schmückte. Der Sage nach darf sie niemals von ihrem Platz entfernt werden und muss zu Weihnachten jeweils ein neues Strohlager bereitet bekommen, anderenfalls werde Egeskov in der Heiligen Nacht im Graben versinken.

Märchenhaft geht es nicht nur in Egeskov zu. Märchenhaftes verdankt die Insel ihrem berühmtesten Sohn - der übrigens oft das Anwesen in Egeskov besuchte. Dieser Hans Christian Andersen machte eine Prinzessin berühmt, die eine Erbse durch viele Matratzen fühlte, einen Kaiser, der ohne Kleider bekannt wurde, und eine kleine Meerjungfrau. Sein Geburtshaus in der Inselhauptstadt Odense ist seit 1908 Teil eines Museums, das mehrfach erweitert wurde.

Durch Odense führt eine drei Kilometer lange Route auf großen Fußstapfen - Schuhgröße 47, wie sie der Märchendichter trug. Geht man der Spur nach, kommt man zu allen Orten, die mit seinem Leben verbunden sind. Direkt neben Andersens Geburtshaus steht ›das »Feuerzeug« genannte Kinderkulturhaus. Der Zinnsoldat kommt um die Ecke. Hier laufen seine Märchenfiguren durch die Räume. Kinder und Erwachsene können sich verkleiden, schminken, Theater spielen oder sich einfach in der riesigen Tabakdose ausruhen. »In das ›Feuerzeug‹ darf man nicht hereinkommen, ohne Kinder mitzuhaben«, erklärt Stadtführerin Lone Weidemann. Wäre auch langweilig.

Ein kulinarisches Märchen erleben kann man bei Susanne Madsen. Die 60-Jährige aus dem kleinen Ort Skerninge ist ein seltenes Beispiel dafür, dass eine Entlassung auch ein Segen sein kann. Sie verkaufte viele Jahre Stoffe, fühlte dann, dass ihr Leben recht festgefahren ist. Sie schließt den Laden, nimmt Bürojobs an. »Zweimal wurde ich gefeuert«, erzählt sie. »Da habe ich mir gedacht, warum nicht noch mal selbstständig sein.« Jetzt führt sie ein »süßes Leben« und ist Mitglied der Vereinigung »Der Geschmack von Fünen«. Viel glücklicher als in all ihren vergangenen Jobs ist nicht nur sie selbst. Die besten Konsumenten ihrer neuen Beschäftigung sind ihre eigenen Enkel. Ihre Schaumkusskurse sind gefragt, nicht nur bei Kindern. Vor allem in der Vorweihnachtszeit kommen viele Firmen zu ihr. Wie viele glückliche Kinder ihr Haus mit einer Kiste selbst gemachter Schaumküsse - die hier Flødeboller heißen - verließen, hat sie nicht gezählt.

Fünen punktet auch mit seinen märchenhaft vielen Sonnenstunden. Auf Skarø aber, eine halbe Fährstunde von Fünen entfernt, ist das ganze Jahr über Eiszeit. Kapitän Jacob Søndergard bringt uns rüber. Er fährt seit 20 Jahren von Svendborg nach Skarø und zur Nachbarinsel, kennt dort jeden Einwohner persönlich. Ist das nicht langweilig? »Nie«, lacht er. Neidisch auf Kreuzfahrtkapitäne? »Oh nein, das habe ich früher gemacht, aber ich liebe keine verwöhnten amerikanischen Touristen.« Auf der Kommandobrücke seiner Fähre machen die Inselkinder ihre Hausaufgaben. Zum Geburtstag gibt es Kuchen. »Wir sind wie eine große Familie.«

Auf Skarø warten die Eismacher Britta Tarp und Martin Jørgensen. Gerade einmal 27 Menschen wohnen hier. Im Sommer kommen etwa 100 Gäste täglich. Die meisten lockt das Eis an, was die beiden seit 2005 in ihrer ökologischen Eismanufaktur herstellen. Es ist das wahrscheinlich beste Eis Dänemarks. Jedes Jahr gibt es neue Sorten, diesmal ist es Pina Colada. Über das Eis freuen sich Kunden auf Grönland und in Norddeutschland sowie Fluggäste von Singapore Airlines, die auf der Strecke Kopenhagen-Singapur das eigens dafür entwickelte Singapore Sling Ice bekommen. Für Martin und Britta ist solch ein Auftrag - 6000 Portionen pro Monat - ein Glücksfall. Märchenhaft sozusagen.

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