Die Tarnkappe lässt auf sich warten

Doch nanostrukturierte Metamaterialien ermöglichen bald superflache und lichtstarke Optiken für Handy-Kameras und Mikroskope. Von Dirk Eidemüller

  • Dirk Eidemüller
  • Lesedauer: 5 Min.

Metamaterialien haben in den letzten Jahren mit einer ganzen Reihe überraschender Eigenschaften von sich reden gemacht. Alle Welt spricht von Tarnkappen und anderen romanverdächtigen Erfindungen. Die Realität im Labor ist mitunter etwas nüchterner, deswegen aber nicht weniger spannend.

Wissenschaftler der Harvard University um Federico Capasso haben es sich zur Aufgabe gemacht, mit Hilfe von Metamaterialien Licht zu bündeln. Anstatt Licht um ein Objekt herum zu leiten, wollen sie mit ihrem Metamaterial einen ganz neuen Typ von Linsen schaffen. Solche Metalinsen können extrem flach sein und damit ganz neue optische Anwendungsgebiete erschließen.

Die Forscher fertigten ihre Linsen mit üblichen lithographischen Methoden. Hierzu bestrahlten sie zunächst eine ebene Form aus Kunststoff mit einem Elektronenstrahl. Das lieferte ihnen die Grundstruktur, auf der sie per Dampfphasenabscheidung eine dünne Schicht aus Titandioxid ablagerten. Dank der vorstrukturierten Oberfläche entstanden so Areale aus Titandioxid-Nanoquadern mit Kantenlängen zwischen 40 und 400 Nanometern. Diese Nanoquader sind also rund 1000-fach feiner als ein menschliches Haar. Der Abstand zwischen den Quadern betrug rund 200 Nanometer, ihre Höhe 600 Nanometer.

Dank ihrer speziellen Form können diese Nanoquader Licht bündeln - und das sogar erstaunlich scharf. Die Metalinsen sind zudem sehr transparent und insgesamt nur einige Mikrometer dick - dünner als ein Blatt Papier. Das macht diese Linsen natürlich hochinteressant für Handy-Hersteller.

Bislang haben Handy-Kameras nämlich mit einer unüberwindbaren Schwierigkeit zu kämpfen. Bei gutem Licht machen sie durchaus brauchbare Fotos. Sobald die Beleuchtung nachlässt - in Innenräumen oder in der Dämmerung - geht die Bildqualität allerdings in die Knie. Das liegt daran, dass die Linsen sehr klein sein müssen, weil sie sonst nicht in ein so handliches Gerät passen. Wird die Belichtung schwach, hilft nur noch die elektronische Verstärkung auf dem Sensorchip, der das digitale Bild aufnimmt. Aber auch diese Verstärkung hat enge Grenzen: Denn auch der Sensorchip in Handys ist sehr klein und dadurch kommt es unweigerlich zu Bildrauschen - das Foto »vergrieselt«.

Mit superflachen Optiken könnte man dem entgegenwirken und eine größere Linse installieren, die spürbar mehr Licht sammelt. Das Ergebnis wären Handy-Kameras, die auch bei schwierigen Lichtverhältnissen noch brauchbare Bilder liefern.

»Handy-Kameras sind Module, die typischerweise aus vier bis sechs Linsen und einem Sensorchip bestehen«, sagt Capasso. Von außen sieht man zwar auf den ersten Blick nur eine Linse; die anderen Linsen sind jedoch notwendig, um ein scharfes und möglichst unverzerrtes Bild zu liefern. Der Bau dieser Kameramodule ist bislang ein aufwändiges Geschäft aus mehreren Arbeitsschritten. Die Linsen werden in Form gepresst, während die integrierten Schaltkreise, aus denen der Sensorchip besteht, aus unterschiedlichen Substraten gefertigt werden. Die Linsen aus Metamaterial lassen sich aber mit denselben Verfahren herstellen wie typische integrierte Schaltkreise. Dadurch ließe sich auch die Produktion der Kameramodule vereinfachen. Wenn es gelänge, die Abbildungseigenschaften der superflachen Linsen weiter zu optimieren, würde vielleicht sogar nur eine einzige Linse für die Optik ausreichen.

Im Augenblick haben die Metalinsen noch den Nachteil, dass sie stark wellenlängenabhängig sind: Sie funktionieren also nur bei blauem, grünem oder rotem Licht. Schon bald aber könnten Metalinsen zur Verfügung stehen, die ein breiteres Farbspektrum abdecken.

Natürlich könnte eine solche Handy-Kamera nie ein professionelleres Modell wie etwa eine Spiegelreflexkamera ersetzen - dafür reichen die Spezifikationen nicht aus. Man wird nie die optischen Möglichkeiten zum Spiel mit Tiefenschärfe, Fokussierung und Blende besitzen, die eine gute Kamera besitzt. Aber vielleicht können solche superflachen Linsen auch in komplexen Linsensystemen spezielle Rollen übernehmen und die bekannten dicken Linsen ergänzen oder ersetzen.

Im Prinzip gibt es für diese neue Technologie eine ganze Reihe interessanter Anwendungen. Nicht nur für Handys und mobile Computer, sondern auch für Mikroskope und Teleskope sind neue Linsen auf jeden Fall interessant. Gerade im wissenschaftlichen Bereich sind die heute verwendeten Linsensysteme aber bereits so gut, dass die ultraflachen Metalinsen erst ihre Nischen werden erkämpfen müssen.

Und wie war das noch einmal mit der Tarnkappe? Bislang funktionieren sie nur bei kleinen Objekten und bei ausgewählten Wellenlängen. So lassen sich mit einer geschickten Ummantelung aus passenden Metamaterialien etwa zentimetergroße Objekte vor Mikrowellenstrahlung verstecken. Die Mikrowellen laufen hinter dem Objekt weiter, als würde es nicht existieren. Das geht aber nur mit Mikrowellenstrahlung einer bestimmten Wellenlänge - bei anderen Wellenlängen erweist sich die Tarnkappe zunehmend als wirkungslos.

Bei sichtbarem Licht wird die Situation noch schwieriger: Denn dessen Lichtteilchen schwingen noch viel schneller als bei der Mikrowellenstrahlung. Eine Tarnkappe für größere Objekte zu realisieren, wird dementsprechend schwieriger. Noch dazu würde sie nur einen bestimmten Spektralanteil um das zu tarnende Objekt herumleiten. Ein Geheimagent mit einem solchen Tarnmantel wäre also keineswegs unsichtbar: Er hätte höchstens einen leichten Blau- oder Rotstich - wie ein falsch belichtetes Bild.

Forscher arbeiten aber bereits an Tarnkappen-Materialien, die sich etwa in der Mikroskopie einsetzen lassen. Wenn man bei Halterungen, Objektspitzen etc. solche Tarnkappen einsetzen könnte, ließen sich damit Streulicht und Unschärfen vermeiden und etwa in der medizinischen Forschung bessere Bilder erzielen. Vielleicht sogar in Kombination mit flachen Linsen: All diese Techniken sind zwar noch Grundlagenforschung - aber nicht so weit von der Anwendung entfernt. »Die ersten praktischen Anwendungen könnten schon in ein paar Jahren auf dem Markt sein«, sagt Capasso. Das Interesse aus der Industrie sei groß. Etliche Unternehmen hätten schon Interesse an den neuartigen, superflachen Linsen gezeigt.

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