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Gift unter dem Weihnachtsbaum

Endokrinologen warnen vor hormonaktiven Stoffen in Spielzeug

  • Ingrid Wenzl
  • Lesedauer: 3 Min.
Erst in viereinhalb Jahren treten in der EU strengere Regeln für Spielzeug in Kraft.
Erst in viereinhalb Jahren treten in der EU strengere Regeln für Spielzeug in Kraft.

Weihnachten naht, und viele Menschen machen sich Gedanken, was sie ihren Kindern unter den Baum legen können. Diesen Zeitpunkt nutzt die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE), um vor dem Kauf von Spielzeug mit endokrinen Disruptoren (EDCs) zu warnen. Dabei handelt es sich um Substanzen, die schon in sehr kleinen Mengen unsere Hormonsysteme akut, nachhaltig oder sogar unumkehrbar stören können. Im Wechselspiel mit anderen Stoffen und Faktoren können sie Stoffwechselerkrankungen wie Adipositas und Diabetes verursachen, die Gehirnentwicklung oder Fruchtbarkeit beeinträchtigen oder Krebserkrankungen fördern.

Hormonaktive Substanzen wie Bisphenole, Phtalate, fluorhaltige Ewigkeits-chemikalien (PFAS) und bromierte Flammschutzmittel finden sich in vielen Alltagsgegenständen, in Elektronik und Pestiziden – aber eben auch in Kinderspielzeug. Besonders hohe Konzentrationen wurden in billigen importierten Plastikspielwaren gefunden, wie sie im Internet massenhaft vertrieben werden, berichtet Josef Köhrle, Seniorprofessor am Institut für Endokrinologie an der Berliner Charité. Sie stecken aber auch in Kuscheltieren, in Lacken oder Beschichtungen, in Puppenkleidern oder sogenanntem smarten Spielzeug.

Das sei insbesondere für Kleinkinder problematisch, die sich bekanntlich gerne alles in den Mund stecken und deren Haut- und Schleimhautbarrieren noch nicht vollständig ausgereift seien. »Dadurch kann die Belastung des Körpers des Kindes mit EDCs massiv erhöht werden«, so Köhrle. Hinzu kommt die Belastung von Spielwaren mit Schwermetallen wie Cadmium und Blei. Während Ersteres zu Nierenfunktionsstörungen führen kann, beeinträchtigt Blei das zentrale Nervensystem und kann damit auch die Gehirnfunktion schädigen.

Erst Ende November hatte das Europäische Parlament in Straßburg die Verordnung zu neuen Sicherheitsvorschriften für Kinderspielzeug beschlossen. Diese ersetzt die bisherige EU-Spielzeugrichtlinie aus dem Jahr 2009 und verschärft die Auflagen für in Europa hergestellte Produkte und Importartikel deutlich. Bislang waren darin Stoffe verboten, die krebserzeugend oder erbgutverändernd waren oder die Fortpflanzungsfähigkeit gefährden. Mit den neuen Vorschriften wird zusätzlich die Verwendung von EDCs untersagt sowie von Stoffen, die die Atemwege schädigen oder die für ein bestimmtes Organ giftig sind. Auch Biozide und Hautallergene dürfen nicht mehr verwendet werden. Ausnahmen gelten für PFAS, die in für Kinder unzugänglichen Teilen elektronischer Spielwaren verbaut sind, EDCs in Spielzeug, das für draußen gedacht ist oder sich an über 14-Jährige richtet, sowie in Sammlerstücken für Erwachsene.

Als Garantie für die Einhaltung der Vorgaben verpflichtet die EU die Spielzeughersteller*innen zu einem digitalen Produktpass, den Importeur*innen an den EU-Grenzen für alle Spielwaren vorweisen müssen.

Die Neuregelung tritt allerdings erst in viereinhalb Jahren in Kraft. Diese lange Übergangsfrist wird damit begründet, den Spielzeugherstellern Zeit zu geben, »die neuen Vorschriften wirksam umzusetzen«. Dabei ist die Gefahr, die von EDCs insbesondere für Kinder ausgeht, bereits seit Anfang der 90er Jahre bekannt. Köhrle kritisiert das stark. »Es bleibt nur, an die Konsumenten zu appellieren, durch ihr Kaufverhalten, ihr Bewusstsein und ihre Forderungen den Druck zu erhöhen, dass solche Substanzen wirklich nicht in Verkehr kommen«, sagt er. Er rät dazu, möglichst hochwertige und geprüfte Produkte mit CE-Siegel, VE-Kennzeichnung oder Blauem Engel zu wählen. Warnzeichen seien »aufdringliche Gerüche« etwa nach Formaldehyd. Auch alte Spielsachen können mit EDCs und Schwermetallen belastet sein. Der Endokrinologe empfiehlt deshalb, speziell Plastikspielzeug nicht an jüngere Kinder weiterzureichen.

Auch Verbraucherzentralen und Umweltorganisationen machen schon seit Jahren auf EDCs und andere Schadstoffe in Spielzeug, Babyartikeln, Kleidung und Alltagsprodukten aufmerksam. Auf seiner Homepage informiert der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland näher über einzelne Siegel für Kinderspielzeug.

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