Schicksale von 8.500 Flüchtlingskindern ungeklärt

Kinderhilfswerk: Verschollenen Minderjährigen droht Ausbeutung, Sexarbeit, Sklaverei und Organhandel / Lage von Betroffenen auch in anderen Ländern kritisch

  • Lesedauer: 2 Min.

Osnabrück. Das Deutsche Kinderhilfswerk hat anlässlich des Weltflüchtlingstags die Aufklärung der Schicksale von mehr als 8.500 vermissten unbegleiteten Flüchtlingskindern in Deutschland angemahnt. »Diesen Kindern drohen Ausbeutung, Sexarbeit, Sklaverei oder sogar Organhandel«, sagte der Präsident der Organisation, Thomas Krüger, der »Neuen Osnabrücker Zeitung« (Montagsausgabe). Er forderte ein zentrales europäisches Erfassungssystem zum Schutz von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Dieses könnte bei der europäischen Polizeibehörde Europol in Den Haag angesiedelt sein und eng mit der EU-Beauftragten für Kinderrechte zusammenarbeiten. Die Vereinten Nationen begehen den 20. Juni alljährlich als Gedenktag für Flüchtlinge weltweit.

Dem Bundeskriminalamt zufolge seien derzeit 781 Kinder (bis 13 Jahre) und 7.756 Jugendliche (von 14 bis 17 Jahren) im Informationssystem der Polizei als vermisst eingetragen, berichtete das Blatt. »Diese erschreckend hohe Zahl weckt schlimmste Befürchtungen«, sagte Krüger der Zeitung. Auch wenn aufgrund von Mehrfachregistrierungen, der Weiterreise zu Verwandten oder Fehlern in der Datenerfassung die Zahl niedriger sein könne, seien die Behörden nicht aus der Pflicht zu Nachforschungen entlassen.

Krüger drängte auf eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Bundesbehörden, Jugendhilfeträgern vor Ort sowie der Polizei auch in Deutschland. Bei der Suche nach den vermissten Kindern müssten vorhandene Suchdienste, zum Beispiel des Deutschen Roten Kreuzes, besser eingebunden werden.

Die Situation von Flüchtlingskindern ist auch in anderen Ländern sehr kritisch. Die Hälfte der insgesamt 30 Millionen Betroffenen weltweit kann nicht zur Schule gehen. Stattdessen müssen viele der Kinder teilweise unter lebensgefährlichen Bedingungen arbeiten, um ihr Überleben zu sichern. Schon Sechsjährige schuften in Steinbrüchen oder Fabriken. Auch Zwangsprostitution und Kinderehen resultieren aus der Armut und Perspektivenlosigkeit, wie die SOS-Kinderdörfer weltweit mitteilen. »Ohne Bildung haben diese Kinder keine Zukunft. Obwohl fast alle Nationen die UN-Kinderrechtskonventionen unterschrieben haben, zeigt die Flüchtlingskrise, dass zu viele Regierungen mit dem Bau von Mauern und legalen Barrieren reagiert haben, anstatt sich um die Kinder zu kümmern und ihnen ein sicheres Umfeld mit Bildungsmöglichkeiten zu geben«, sagt der Pressesprecher der SOS-Kinderdörfer weltweit, Louay Yassin.

Die Kinder, denen durch das Verlassen ihrer Heimat, Kriegstraumata oder der Trennung von ihren Familien schon genug zugemutet werde, sollten nicht auch noch schutzlos dem Risiko ausgeliefert sein, im neuen Land ausgebeutet oder misshandelt zu werden. »Deshalb brauchen die Kinder nach der Flucht ein sicheres Umfeld, in dem sie die Möglichkeit haben, zu lernen und sich zu integrieren«, erklärt Yassin. Denn die jungen Flüchtlinge seien in der Regel sehr motiviert, wollten zur Schule gehen oder eine Ausbildung machen. nd/Agenturen

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