Kunst am Bau

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Wer in Deutschland ein Haus baut, gilt gemeinhin als Bauherr. Wenn der Staat als Bauherr auftritt, so ist er angehalten, einen Teil der Baukosten für öffentliche Bauten für Kunstwerke zu verwenden. Das gilt dann als »Kunst am Bau«. An dieser Stelle erinnern wir uns an die gerade beim Bau öffentlicher Gebäude in Berlin oft feststellbare Kreativität, bauliche Maßnahmen wie etwa den Einbau einer Entrauchungsanlage in einen Großflughafen dergestalt vorzunehmen, dass im Brandfall der Rauch entgegen der physikalischen Gesetze gen Boden strömen muss. Vermutlich hat der Bauherr dieses Flughafens bei der Abnahme der Anlage diese für ein Kunstwerk gehalten.

Beim Stichwort »Kunst am Bau« wird der Bürger in Berlin also zu Recht misstrauisch. In Tegel ist jetzt ein Streit über ein monumentales Fassadenkunstwerk an einem Hochhaus entbrannt. Die Kiez-Initiative »I love Tegel« kündigte an, Unterschriften gegen das 42 Meter hohe Bild des spanischen Künstlers Borondo zu sammeln, das Teil des Kunstprojekts »Artpark Tegel« ist. Das Bild zeigt ein kleines, blutüberströmtes Mädchen, das auf blutgetränktem Boden steht. Anwohner haben sich Medienberichten zufolge irritiert über das Kunstwerk geäußert. Sie sprechen von einer »depressiven Stimmung« und »negativem Einfluss«.

Das Wohnungsbauunternehmen Gewobag verteidigt dagegen das Bild. Das Motiv stehe für ein Flüchtlingskind, das Hoffnung sehe - auch wenn die Landschaft nicht hoffnungsvoll wirke, erläuterte der Sprecher des Unternehmens, Volker Hartig. Denn das Kind blicke auf einen Menschen, der - obwohl von Pfeilen getroffen - aufrecht stehe und stark sei.

Die Kunst eines Kunstwerkes besteht mithin nicht in der Darstellung, sondern in der Interpretation des Gezeigten. Das ein Kunstwerk nur schöne Assoziationen hervorrufen muss, ist also eine irrige Annahme - es sei denn, die Bauordnung für das Land Berlin legt etwas anderes fest. jam Foto: dpa/IloveTegel

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