»Wir lehnen Doppelbestrafung ab«

Novelle des Sexualstrafrechts - Linkenpolitikerin Halina Wawzyniak findet: »Nein heißt Nein« hat im Aufenthaltsrecht nichts zu suchen

  • Lesedauer: 3 Min.

Die Reform des Sexualstrafrechts soll am Donnerstag im Bundestag beschlossen werden. Ist das ein Grund zur Freude?

Es ist gut, dass der Grundsatz »Nein heißt Nein« im Strafgesetzbuch verankert wird. Dafür haben wir jahrelang gekämpft. Problematisch sind zum einen die nun ebenfalls geplanten Regelungen zum Aufenthaltsrecht und zum zweiten unsinnige Regelungen, die das Strafrecht auf den Kopf stellen.

Was genau meinen Sie?

Wenn mehrere Leute eine andere Person bedrängen, um zum Beispiel ein Smartphone oder eine Geldbörse zu klauen und aus dieser Gruppe heraus eine Person eine Sexualstraftat begeht, sollen zukünftig alle anderen Personen auch wegen der Sexualstraftat bestraft werden können. Das ist völlig inakzeptabel und hat mit dem Schuldrechtsprinzip im Strafrecht nichts mehr zu tun.

Zum anderen soll mit der nun auch geplanten Änderung im Aufenthaltsgesetz die Möglichkeit der Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft und damit auch eine Ausweisung schneller möglich sein. Und das, obwohl das Ausweisungsrecht erst im März geändert worden ist. Schon da sind Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung - soweit sie mit Gewalt, mit Gefahr für Leib und Leben oder mit List einhergehen - ins Aufenthaltsrecht aufgenommen worden. Jetzt soll aber die gesamte »Nein heißt Nein«-Lösung in das Aufenthaltsrecht übernommen werden. Das bedeutet, dass auch eine Verurteilung wegen eines aufgedrängten Zungenkusses im Zweifelsfall zu einer Abschiebung führen kann. Da ist aus meiner Sicht jedes Maß verloren gegangen. Zumal DIE LINKE grundsätzlich Doppelbestrafungen im Sinne von strafrechtlicher Bestrafung und zusätzlicher Ausweisung ablehnt.

Würde es die Ahndung sexueller Übergriffe erschweren, wenn auf die Übernahme von »Nein heißt Nein« ins Aufenthaltsrecht verzichtet worden wäre?

Nein. Die Ahnung von Straftaten findet im Strafrecht statt. Dafür haben wir künftig die »Nein heißt Nein«- Lösung. Und das ist gut so.

Aber wäre es nicht inkonsequent, wenn im Aufenthaltsrecht die alte Vergewaltigungsdefinition erhalten bliebe?

Ich betone noch einmal: Wir haben ein generelles Problem damit, dass für Menschen, für die das Aufenthaltsrecht greift, neben dem Strafrecht auch noch das Ausweisungsrecht hinzukommt. Aber selbst wenn man das nicht so sieht, ist der jetzige Vorschlag unverhältnismäßig, weil die schweren Straftaten schon jetzt vom Ausweisungsrecht umfasst werden.

Werden denn viele Menschen, für die das Aufenthaltsrecht gilt, davon betroffen sein, wenn »Nein heißt Nein« auch in dieses übernommen wird?

Wir wissen noch nicht, in welchem Umfang diese Neuregelung auch zu Verurteilungen und Abschiebungen führen wird. Aber es geht eigentlich um etwas anderes. Nämlich um institutionellen Rassismus, der an dieser Stelle noch einmal befördert wird. Bis Montag haben wir darüber geredet, wie wir einen umfassenden Schutz von sexueller Selbstbestimmung realisieren können, das war der Kern der Debatte. Seit Montag liegt die das Aufenthaltsrecht betreffende Änderung überraschend auf dem Tisch. Und nun führen wir wieder eine Debatte darüber, ob Zugezogene anfälliger sind für solche Straftaten als Deutsche, was durch keine Statistik belegt wird.

Zu den anderen Aspekten des Gesetzes: Ist die Forderung, »Nein heißt Nein« im Gesetz zu verankern, aus Ihrer Sicht ausreichend erfüllt?

Ja, aus meiner Sicht ist die geplante Regelung ausreichend. Bei der Formulierung dieser Regelung wurden auch Vorschläge aus den Oppositionsfraktionen aufgegriffen. Da besteht großer Konsens.

Wie werden Sie als Abgeordnete sich am Donnerstag verhalten?

Die Fraktion wird geschlossen für die Regelung »Nein heißt Nein« stimmen, die separat abgestimmt wird. Insgesamt werden wir uns enthalten.

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