Niemand überwacht die Überwacher

Durch die Regierungspläne zur Kontrolle der Geheimdienste droht eine Aushebelung von Parlamentarierrechten

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor wenigen Tagen hat der neue Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND), Bruno Kahl, deutlich gemacht, dass es mit ihm keine neue Kultur der Offenheit geben wird. »Geheimer Nachrichtendienst und totale Transparenz schließen sich aus«, erklärte Kahl bei seiner Amtseinführung. Ähnlich sieht das die Große Koalition. Ihr Gesetzesentwurf zur »Fortentwicklung der parlamentarischen Kontrolle der Nachrichtendienste«, der am Freitag erstmals im Bundestag beraten wurde, ist offenbar vor allem zur Beruhigung der Öffentlichkeit gedacht. Die oft dubiosen Tätigkeiten der Geheimdienste werden demnach weiterhin nicht effektiv überprüft. In den letzten Jahren standen die Dienste im Zentrum von Skandalen. Dazu zählten die Verwicklungen von V-Leuten des Verfassungsschutzes in die Mordserie des rechtsradikalen NSU sowie die massenhaften Ausspähungen durch die US-amerikanische NSA und den BND.

Politiker der Union waren in der Debatte im Bundestag darum bemüht, diese Skandale herunterzuspielen. »Die Nachrichtendienste sind besser als ihr Ruf«, sagte Stephan Mayer. Zwar seien individuelle Fehler gemacht worden, aber es gebe keinen Grund für ein allgemeines Misstrauen. Der CSU-Politiker meinte, dass die »ohnehin gute parlamentarische Kontrolle nun noch besser« werde.

Dafür will die Bundesregierung einen ständigen Bevollmächtigten mit einem eigenen Mitarbeiterstab einsetzen, der das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) unterstützen und entlasten soll. Die Person, im Regelfall ein Richter, soll auf Vorschlag des PKGr für eine Amtszeit von fünf Jahren berufen werden. Nach den Worten des SPD-Abgeordneten Uli Grötsch würden die Mitglieder des PKGr durch den Bevollmächtigten künftig eher über die Tätigkeiten der Geheimdienste im Bilde sein und könnten deswegen schneller reagieren. »Dadurch werden die Dienste aus der Grauzone geholt«, so Grötsch.

Dagegen kritisierte André Hahn, dass das Kontrollgremium eher geschwächt als gestärkt werde. Der LINKE-Politiker wies darauf hin, dass künftig brisante Akten von der Bundesregierung oder den Diensten nur noch an den Beauftragten anstatt an die zuständigen Abgeordneten im PKGr gegeben werden könnten. »Die parlamentarische Kontrolle würde somit ausgehebelt«, warnte Hahn, der zurzeit stellvertretender Vorsitzender des Gremiums ist.

In der Kritik stehen außerdem die Pläne der Koalitionsfraktionen für eine Reform der Rechtsgrundlagen des BND. Nach Ansicht der Opposition werden dadurch die bislang widerrechtlichen oder zumindest fragwürdigen Praktiken des Auslandsgeheimdienstes nachträglich legitimiert. So soll etwa die Ausspähung von Bürgern und Institutionen möglich sein, um »die Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik zu wahren«. Angesichts dessen warnte Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz vor einer »Legalisierung der Massenüberwachung«.

Sein Parteikollege Hans-Christian Ströbele konstatierte, dass die Parlamentarier in den vergangenen Jahren von Vertretern der Geheimdienste immer wieder belogen worden seien. Diese hätten nach den Veröffentlichungen des US-amerikanischen Whistleblowers Edward Snowden den Vorwurf zurückgewiesen, dass auch deutsche Dienste an der Spionage in offiziell befreundeten Staaten beteiligt sind. Ströbele forderte Sanktionsmöglichkeiten, wenn die Kontrolleure belogen werden.

Doch Änderungen sind in den Ausschussberatungen kaum noch möglich. Die Reform soll schon im Herbst verabschiedet werden und zum 1. Januar 2017 in Kraft treten.

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