Kläger aus der Rigaer bekommen recht

Räumung der linken Szene-Kneipe »Kadterschmiede« am 22. Juni war rechtswidrig / LINKE: Innensenator Henkel hat selbst zur Eskalation beigetragen / Lauer: Räumung sei politisch motiviert gewesen

  • Lesedauer: 3 Min.

Das Berliner Landgericht hat am Mittwochvormittag im Streit um das linksalternative Hausprojekt Rigaer Straße 94 entschieden. Eine Zivilkammer verhandelt über die Beschwerde eines Vereins gegen die Zwangsräumung der Szene-Kneipe »Kadterschmiede« am 22. Juni und gab den Kägern recht. Der Verein vertrat die Ansicht, dass ihn der Eigentümer widerrechtlich zum Verlassen der Räume gezwungen habe. Der Eigentümer habe bis heute keinen Räumungstitel vorgelegt, sagte Richterin Nicola Herbst am Mittwoch. Zum Prozess selbst waren weder der Eigentümer noch dessen Anwalt erschienen. Die Kläger dürfen die Räume im Erdgeschoss des Hauses künftig wieder nutzen. Vor dem Landgericht feierten Bewohner und Unterstützer der Rigaer 94 die richterliche Entscheidung.

Die zahlreichen Sympathisanten aus der linken Szene, die sich im Saal des Amtsgerichts Tempelhof-Kreuzberg eingefunden hatten, quittierten das vorläufige Urteil mit lautem Jubel. »Wir haben gewonnen - ich hoffe, dass die Berliner Polizei das jetzt versteht«, sagte der Anwalt des Vereins, Lukas Theune. Derzeit werden die vom Eigentümer veranlassten Bauarbeiten im Erdgeschoss von zahlreichen Polizisten bewacht und durchgesetzt.

Theune kündigte an, das Nutzungsrecht seiner Mandanten mit Hilfe eines Gerichtsvollziehers schnellstmöglich durchsetzen zu wollen. Bis zur gerichtlichen Klärung der eigentlichen Besitzrechte will der Verein möglichen Nutzungsüberlassungsvereinbarungen aus der Vergangenheit nachspüren. »Klar ist letztlich, der Eigentümer kann so etwas auch wieder kündigen«, sagte Theune. »Theoretisch hat er schon die Möglichkeit, das irgendwann auf rechtsstaatliche Art und Weise räumen zu lassen, denke ich.«

Das Urteil stellt dennoch auch eine Niederlage für Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) dar, der den Polizeieinsatz zur Durchsetzung der Eigentümerrechte offensiv verteidigt hatte. Die LINKE sprach on einer »riesigen Blamage« für Henkel. Der Innensenator müsse nun erklären, warum die Polizei mit einem massiven Aufgebot die Räumung ohne Räumungstitel durchgesetzt habe, erklärte der innenpolitische Sprecher Hakan Tas. Es werde wieder deutlich, dass der Innensenator selbst zur Eskalation beigetragen habe. Die Aktion bei dem alternativen Wohnprojekt sei politisch motiviert gewesen, erklärte Christopher Lauer von der Piratenfraktion im Abgeordnetenhaus.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller lehnte in einer ersten Reaktion eine Mitverantwortung für den Polizeieinsatz im Juni ab und verwies auf die Verwaltung von Innensenator Henkel. »Die Senatskanzlei war nicht involviert in die Vorläufe zum Einsatz der Polizei. Wir gehen fest davon aus, dass die Innenverwaltung die Rechtsgrundlage dafür erklären kann«, teilte Senatssprecherin Daniela Augenstein mit. Henkels Ressort kündigte eine Stellungnahme an.

Seit der Teilräumung in dem auch von Linksalternativen bewohnten Haus spitzte sich die Auseinandersetzung zwischen Polizei und Anwohnern zu. Die Beamten standen Tag und Nacht vor dem Eingang. Bei einer Demonstration am Samstagabend von Bewohnern und Unterstützern der Rigaer Straße 94 war es zu heftigen Auseinandersetzungen gekommen. Am Dienstag verringerte die Polizei ihre Kontrollen - zu dem Haus gebe es keine Zugangskontrollen mehr, teilte sie mit.

Nachbarn und Hausbewohner mit Mietverträgen fordern einen Runden Tisch zur Deeskalation. Der Ausnahmezustand sei unerträglich, hatte eine Anwohnerinitiative kritisiert und Innensenator Frank Henkel (CDU) zum Dialog aufgefordert. Agenturen/nd

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