Teuer, aufwendig und zwanghaft

Hochzeiten sind in Kambodscha ein Statussymbol - man zeigt, was man hat

  • Michael Lenz
  • Lesedauer: 5 Min.
Hochzeiten sind das gesellschaftliche Ereignis im buddhistischen Königreich Kambodscha. Für das Fest gilt: je größer, je teurer, je lieber. Man zeigt, was man hat, oder tut wenigstens so.

Es ist 5.30 Uhr. Mit einer halben Stunde Verspätung geht es in Phnom Penh los. Die auf halber Strecke in Kampong Cham vorgesehene Frühstückspause müsse ausfallen, verkündet Eang Sokhon, genannt Pau. »Ich will ja nicht zu spät zu meiner eigenen Hochzeit kommen«, lacht er und tritt aufs Gas. Gut zweieinhalb Stunden später erreichen wir - Paus Mutter, seine beiden Neffen, der Malaysier und Trauzeuge Seang, und ich - Vel Vong, das Heimatdorf von Paus Braut Van Rany. In dem Dorf in der Nähe des Mekong ist es an diesem Morgen bereits sengend heiß. Bei 42 Grad bauen Arbeiter auf der Straße das Hochzeitszelt auf. Solche Zelte sind in diesen Tagen überall in Kambodscha zu sehen. Die trockene Jahreszeit, in der man keine Felder bestellen kann, ist die traditionelle Hochzeitssaison.

Pau wollte eigentlich gar nicht heiraten. Jahrelang war es dem 36-jährigen, der sein Geld als Mietchauffeur verdient, gelungen, sich vor der Ehe zu drücken. Aber Widerstand gegen den familiären Druck, den gesellschaftlichen Zwang ist in Kambodscha zwecklos. »Wer nicht heiratet, wird aus der Familie ausgeschlossen«, sagt Pau traurig, der schon zur Unterstützung seiner verwitweten Mutter vor zehn Jahren sein geliebtes Leben als buddhistischer Mönch aufgegeben hatte.

Immerhin suchte sich Pau seine Zukünftige selbst, statt eine der von seiner Mutter Sokha ausgewählten Kandidatinnen zu akzeptieren. Rany hat er einmal in einem Englischkurs kennengelernt. »Wir haben uns immer mal wieder eher zufällig getroffen«, erzählt Pau. Mehr verraten der gemächliche Pau und die praktisch veranlagte Rany nicht über ihre Beziehung, die eher eine Zweck- als eine Liebesheirat zu sein scheint. Mit 27 Jahren ist Rany, die als Buchhalterin in einer Immobilienfirma in Phnom Penh arbeitet, für kambodschanische Verhältnisse auch schon ein spätes Mädchen.

Die zweitägigen Hochzeitsfeierlichkeiten bestehen aus vielen traditionellen und Zeremonien zu Ehren Buddhas, der Eltern, der Ahnen und der Besänftigung von allerlei Geistern, die Glück und Wohlstand im Weg stehen könnten. Die Hauptrolle spielen dabei allerdings die Kameraleute, die immer wieder die Rituale mit »Regieanweisungen« unterbrechen und für beste Bildqualitäten gar ganze Sequenzen wiederholen lassen. Hochzeiten sind eben ein Statussymbol, man zeigt einem möglichst großen Publikum, was man sich leisten kann.

Auch die Pausen zwischen den Zeremonien bedeuten für das Brautpaar den blanken Stress. Jede Feier erfordert ein neues prächtiges Kostüm im Stil der Kleidung, wie sie früher am Hof des Königs getragen wurde. Friseur und Kosmetiker sind eifrig dabei, Frisuren und Make-up der Brautleute wieder in Schuss zu bringen. Pau ist genervt. »Wir hätten gerne einfach geheiratet. Standesamt, Stempel und gut ist. Unsere Familien haben aber auf dem großen Fest bestanden.«

Mehr als umgerechnet 9500 Euro kostet die Sause. Diese Summe hat Pau sich zum Teil von Freunden und zum Teil von der Bank geliehen. Die Hälfte geht für die Hochzeit mit 450 Gästen in Vel Vong drauf, die andere Hälfte für die große Hochzeitsparty für die 300 engsten Freunde in Phnom Penh.

Das Essen kostet wie auch das Zelt in Vol Veng, die Restaurantmiete in Phnom Penh, die Livebands, die Mönche, die Fotografen, die plakatwandgroßen Fotos des Paars am Eingang des Festzeltes, die vielen Helfer. Trotzdem schämt sich Pau, dass er sich nicht mehr leisten kann. »5000 Dollar (4400 Euro) für eine Hochzeitsparty ist in Phnom Penh wenig. Das wirkt billig.«

Für die Gäste gibt es in Vol Veng zwischen den Feierpausen nicht viel zu tun. Das Dorf besteht lediglich aus ein paar auf Stelzen gebauten Holzhäusern, zwischen denen Kühe dösen und Hühner laufen. Man vertreibt sich die Zeit mit Abhängen in den Hängematten unter dem Haus, Karten spielen und Bier trinken. Zum Schlafen sind auf dem Holzboden des Hauses bunte Strohmatten ausgebreitet.

Viel Schlaf gibt es nicht. Die Party geht bis spät in der Nacht und das kambodschanische Leben beginnt schon wieder mit dem ersten Sonnenstrahl. Dann krähen Hähne, gackern Hühner, bellen Hunde, kreischen Kinder. Von der Bühne vor dem Hochzeitshaus dröhnen laut im Wechsel buddhistische Gesänge und kambodschanische Schlagermusik. Während auch am zweiten Tag Rituale abgespult werden, bereiten Köche das Hochzeitsessen für die 450 Gäste zu. Unter freiem Himmel werden in riesigen Woks auf offenem Feuer Hühnchen gedämpft, Enten gebraten, Schweinerippchen in einer Art Bierteig ausgebacken, Fische gegrillt und Reis gekocht.

Auch das Hochzeitsessen entpuppt sich als denkwürdige Veranstaltung. Anstelle von Geschenken ist es bei kambodschanischen Hochzeiten Usus, einen Obolus zur (Re)Finanzierung des Festes zu entrichten. Jeder Betrag wird säuberlich samt Namen des Gebers notiert. Schließlich muss man wissen, wie viel man bei einer Gegeneinladung (mindestens) entrichten muss. Das Essen wird reingeschlungen und dabei möglichst viel getrunken. Was an Essen und Getränken übrig bleibt, sacken die Gäste heimlich ein. Man hat ja bezahlt. Nach dem Essen wird getanzt. Bereits um 23 Uhr aber hat die Musik Ruh. Der nächste Tag fängt ja wieder recht früh an. Um sechs Uhr in der Frühe wollen Freunde von Pau nach Phnom Penh aufbrechen und mich mitnehmen. Dieses Mal geht es pünktlich los.

Pau und Rany sehe ich zwei Wochen später auf ihrer Hochzeitsreise in Bangkok wieder. Über die Hochzeit sagt Pau bedröppelt: »Die Gäste waren geizig. Wir haben nicht die ganzen Kosten wieder reinbekommen.«

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