Zweite Chance für den Boulevard Kastanienallee
Ein Quartiersmanagement soll das Hellersdorfer Wohngebiet stabilisieren
Der Boulevard Kastanienallee ist zum Problemfall geworden: Wo einst Anwohner schlenderten, es jede Menge Geschäfte gab, ist es derzeit wenig einladend. Niemand flaniert in dem Bereich zwischen Hellersdorfer und Glauchauer Straße. Nur selten entspannt mal jemand auf einer der vielen blauen Bänke. Leerstehende Geschäfte halten die Menschen vom Bummeln ab.
Nach dem Sozialstrukturatlas rangiert dieser Bereich als einer der sechs sozial schwächsten unter 440 Berliner Kiezen. Die Zahl der Langzeitarbeitslosen, der in Armut lebenden Kinder, Jugendlichen und Rentnern ist dort am höchsten im Bezirk Marzahn-Hellersdorf. Charakteristisch sind hohe Zuzugs- und Fluktuationsraten. Zudem hat sich der Anteil der Einwohner mit Migrationshintergrund zwischen 2012 und 2014 mehr als verdoppelt.
Zwar hat die Deutsche Wohnen, die im Boulevard Kastanienallee 462 Wohnungen und 58 Gewerbeeinheiten verwaltet, bereits einiges unternommen, um das Gebiet wieder lebenswerter zu machen. Ein dauerhafter Erfolg blieb aber bislang aus. Zwar zogen inzwischen Vereine in das Quartier und es gibt temporäre Kunstprojekte, aber das ist eben nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Neue Hoffnung haben deshalb Anwohner und Bezirkspolitiker in das seit April eingesetzte Quartiersmanagement (QM), das nun seinen Auftakt begeht. Der Boulevard Kastanienallee gehört nun zu den insgesamt 34 Quartieren, die derzeit vom Städtebauförderprogramm »Soziale Stadt« profitieren.
»Ziel ist es, dauerhaft stabile Strukturen im Gebiet zu schaffen«, sagte am Mittwochabend bei der Auftaktveranstaltung des QM Baustaatssekretär Engelbert Lütke-Daldrup. So sollen die Wohnumgebung und die soziale Infrastruktur verbessert und öffentliche Anlagen aufgewertet werden. Netzwerke und Kooperationen zwischen Verwaltung und Stadtteil sind angedacht. »Wir wollen aber auch gemeinsam mit den Bewohnern auf ein neues Verantwortungsbewusstsein für das Zusammenleben im Gebiet hinarbeiten«, sagte Stephan Mayer, Chef des Quartiersbüros.
Noch ist die Meinung der Hellersdorfer zum gestarteten Beteiligungsverfahren geteilt. Bruno Preuß, der seit fast 30 Jahren in Hellersdorf lebt, gehört zu den Befürwortern mit eigenen Ideen. »Mehr Sauberkeit und neue Spielmöglichkeiten müssen her und der Schandfleck - die leerstehende Kaufhalle - muss endlich verschwinden«, sagt der 62-Jährige.
Auch Elli Meinicke findet, dass sich etwas ändern sollte, aber sie ist skeptisch und möchte endlich Taten sehen. »Bislang wurde immer nur geredet«, sagt sie.
»Wir versprechen uns sehr viel vom Quartiermanagement«, sagte Sabine Schwarz (LINKE). Die Stärke des Gebietes bestehe darin, bürgerschaftliches Engagement zu fördern und Menschen zu aktivieren. Die LINKE, die schon seit 2013 ein Quartiersmanagement für den Boulevard fordert, will sich in den Prozess einbringen: Unter anderem will sie Freie Träger besser miteinander verknüpfen und kontinuierliche Angebote schaffen.
Stadtentwicklungsstadtrat Christian Gräff (CDU) kündigte für August einen Gesprächstermin mit dem Eigentümer der einstigen Kaiser’s-Kaufhalle über die Zukunft des »Schandflecks« an.
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