Der Kachelofen bleibt

»Abseits des Popcorn-Kinos« - »nd« stellt in einer Serie kleine Kiez-Kinos vor. Teil 1: »Kino Intimes« in Friedrichshain

  • Jürgen Amendt
  • Lesedauer: 3 Min.

Manche Ortsfremde, die den Namen »Kino Intimes« zum ersten Mal hören, assoziieren damit ein Programm, das mit Filmtiteln wie »Schulmädchen-Report IV« schlüpfrige Phantasien weckt. Oder eines, das zu DDR-Zeiten »heimlich schmutzige Filmchen« spielte, wie einmal von der Besucherin eines Kino-Führers im Internet gemutmaßt wurde.

Wer das »Kino Intimes« von Außen sieht, könnte sich auf den ersten Blick in dieser Vermutung bestätigt sehen. Die Neonschrift-Optik der 1970er Jahre und die mit Plakatfetzen und Graffiti überzogene Häuserwand verbreitet einen eher schmuddeligen Charme. Aber wir sind in Berlin und da führen solche Assoziationen, die vornehmlich bei Touristen aus der Provinz geweckt werden, leicht in die Irre. Statt »Feuchtgebiete« läuft in dem Friedrichshainer Kino derzeit zum Beispiel das von Filmkritikern hochgelobte Science-fiction-Drama »High-Rise« und während der Ferienzeit werden täglich zwei Kinder- und Jugendfilme gezeigt.

Intim geht es in dem Lichtspielhaus dennoch zu, und das hat mit der Größe des Kinosaals zu tun. Das Kino wurde 1909 gegründet und zählt damit zu den ältesten Berlins. Mit kaum 100 Plätzen war es damals aber auch eines der kleinsten Lichtspielhäuser, weshalb es den Namen »Intimes Theater« erhielt. An der Größe hat sich wenig geändert; 83 Besucher haben derzeit in dem Saal Platz. Die Holzvertäfelung und die orange-braune Wandbespannung stammen ebenso wie fast alles in dem Raum aus den 1970er Jahren. Nur der Kachelofen, der im Winter wärmt, ist noch älter. Die Vorführtechnik ist allerdings in den vergangenen zwei Jahren durch eine moderne digitale Projektionstechnik erneuert worden.

Damals, im Herbst 2014, hat Michael Rauthe das »Kino Intimes« übernommen. Die Vorbetreiber waren in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten, hatten nicht die finanziellen Mittel für die Umstellung auf die digitale Filmvorführung. Gleichzeitig gab es immer weniger Filme im 35-mm-Format. »Es setzte ein Kreislauf ein, der das Kino in seiner Existenz bedrohte«, erzählt Michael Rauthe rückblickend. Das Filmangebot musste reduziert werden, was zu einem Besucherrückgang führte, der wiederum die finanziellen Möglichkeiten des Kinos für notwendige Investitionen einschränkte.

Für die Zukunft stehen weitere Veränderungen an. So soll die ehemalige Betriebskantine zu einem zweiten Kinosaal umgebaut werden. Spätestens zu Beginn des nächsten Jahres will man die Sanierung in Angriff nehmen. Die Inneneinrichtung mit dem flauschig-plüschigen 70er-Jahre-Ambiente wird nach den Worten von Michael Rauthe allerdings erhalten bleiben. Auch der alte Kachelofen wird also weiterhin im Winter den Kinosaal erwärmen. »Wir sehen uns weiterhin als Kiezkino«, sagt Rauthe. Deshalb will man auch die Zusammenarbeit mit den örtlichen Schulen verstärken; schon heute gibt es regelmäßige Sondervorstellungen für Schulklassen mit entsprechender medienpädagogischer Begleitung durch die Kinobetreiber.

Die Konkurrenz auf dem Kino-Markt ist groß, weiß Michael Rauthe. Die großen Multiplex-Häuser mit ihrem Popcorn-Kino und aufwändigen 3D-Blockbustern locken das Publikum in Scharen an. Das war schon für die Vorgänger von Michael Rauthe ein Problem. Ende der 1990er Jahre schien schon einmal das Aus für das Kino gekommen zu sein. Selbst mit niedrigen Eintrittspreisen konnte kaum noch Publikum angelockt werden; zudem machten steigende Mietpreise den Kinobetreibern das Leben schwer. Mit dem Kauf des Gebäudes durch eine Mietergenossenschaft wurde damals auch das Kino gerettet, der ausgelaufene Mietvertrag wurde zu besonders günstigen Konditionen verlängert.

Gezeigt wurden damals auch japanische oder chinesische Filme im Originalton mit deutschen Untertiteln. Was vor 15 Jahren aber allenfalls für ein Nischenpublikum interessant war, hat jetzt einen Markt, ist sich Michael Rauthe sicher. Die Wohnbevölkerung im Kiez habe sich in den vergangenen Jahren zunehmend internationalisiert; hinzu kämen viele Touristen. Deshalb sollen nach dem Umbau viele der Filme in der Original-Sprache laufen.

Und »schmutzige Filmchen« werden darunter auch weiterhin sicherlich nicht sein.

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