Das Aus der großen Weißen

In den südafrikanischen Gewässern ist der Raubfisch fast ausgerottet

  • Anne Gonschorek, Kapstadt
  • Lesedauer: 3 Min.
Südafrikas Weiße Haie stehen kurz vor dem Aussterben. Ihre Anzahl reicht nicht mehr aus, um sich erfolgreich fortpflanzen zu können.

Es gibt weltweit über 500 Haiarten, doch man denkt eigentlich immer nur an den großen Weißen. Die Evolutionslinie des Weißen Hais kann bis zu 14 Millionen Jahre zurückdatiert werden. Damit gehört er zu den ältesten Haiarten der Welt. Eine neue Studie der südafrikanischen Universität Stellenbosch hat jedoch herausgefunden, dass der Weiße Hai in seinen heimatlichen Gewässern fast ausgerottet ist.

»Die Zahlen in Südafrika sind extrem niedrig«, so Sara Andreotti von der botanischen und zoologischen Abteilung Stellenboschs. »Wenn die Situation gleich bleibt, steuern Südafrikas Weiße Haie direkt auf die Ausrottung hin«, glaubt sie. Ihre Studie hat sich sechs Jahre mit dem Mekka der weißen Haifische beschäftigt, dem südafrikanischen Fischereiort Gansbaai. Das ist die bisher größte Datensammlung in ihrem Spezialgebiet. Es ist nämlich nicht so einfach, die Tiere zu finden und zu zählen. Andreotti und ihre Kollegen mussten sich auf die Unterstützung des Haiverhaltensexperten Michael Rutzen verlassen. Der taucht seit 15 Jahren mit den gefürchteten Tieren und ist vor Ort als »Hai-Mann« bekannt. »Wenn du Weiße Haie zählen willst, brauchst du ein Boot mit einer Mannschaft und jemanden, der weiß, wo und wie sie zu finden sind«, erklärt Andreotti.

Das Team von Rutzen musste sicherstellen, dass die Tiere nahe genug an das Boot herankamen, um deutliche Bilder der Rückenflossen zu machen und eine Biopsie für genetische Untersuchungen vornehmen zu können. Dellen und Einkerbungen in den Rückenflossen dienen dabei als Fingerabdruck, dank dem Andreotti die Fische auseinanderhalten konnte. Mit der Such- und Detailarbeit waren Andreotti und Rutzen sechs Jahre beschäftigt. Sie schafften es, von 2009 bis 2011 fast 5000 Fotos von Weißen Haien in Gansbaai zu schießen. Nachdem sie Hunderte verschiedene Tiere gefunden und dokumentiert hatten, wurde es aber auf einmal schwer, neue Tiere zu fotografieren.

Die Studie zeigte, dass die sich fortpflanzende südafrikanische Population des Weißen Hais nur noch 333 Tiere zählte. Vorherige Untersuchungen anderer Spezies haben aber gezeigt, dass eine Population mindestens 500 Tiere braucht, um zu überleben. »Zusammen mit den Fotos und der Anzahl der erwachsenen Tiere sind wir zu der Schlussfolgerung gekommen, (...) dass ihre Anzahl bereits zu gering sein könnte, um ihr Überleben zu sichern«, sagt Andreotti.

Dafür könnten Hainetze, Umweltverschmutzung, Überfischung und Wilderei für Trophäen verantwortlich sein. »Junge Weiße Haie ernähren sich vor allem von grätenreichen Fischen und kleineren, kommerziell gefischten Knorpelfischen«, sagt Andreotti. Bisher wisse man allerdings zu wenig über die Mindestmengen, die ältere und damit größere Haie vertilgen müssten. Daher könnten die Forscher nicht entsprechende Daten für verbesserte Regulierungen vorlegen.

Der Raubfisch hat außer dem Menschen keine natürlichen Feinde und hält das sensible ökologische Gleichgewicht aufrecht. Weniger Haie bedeuten mehr Seehunde, die weniger Fische und den Untergang der Fischerei bedeuten würden. »Wir müssen die Studie auf internationalem Niveau wiederholen und die Techniken für die Datensammlung standardisieren«, glaubt Rutzen. »Während jeder nur für sich arbeitet, könnte der König des Ozeans längst vor dem Aussterben stehen.«

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