Absage an Rajoy

Sozialistenchef Pedro Sánchez schließt Große Koalition in Spanien aus

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 3 Min.
In Spanien haben die stockenden Verhandlungen über die Bildung einer Regierung einen neuen Rückschlag erlitten. Die von Mariano Rajoy erhoffte Große Koalition ist vom Tisch.

Er führt seit Dezember die Geschäfte, regieren darf er nicht: Mariano Rajoy. Der konservative Premier, der von 2011 bis Ende 2015 mit absoluter Mehrheit seiner rechten Volkspartei PP regierte, hatte große Hoffnungen in das Treffen mit dem Chef der spanischen Sozialisten (PSOE) am Dienstag gesetzt, um erneut Regierungschef zu werden. Doch Pedro Sánchez bekräftigte sein »Nein« zum Angebot einer Großen Koalition nach deutschem Vorbild.

Rajoy solle sich mit den »Parteien des Zentrums und der Rechten« einigen, also den »potenziellen Verbündeten« seiner Volkspartei (PP). »Wir werden nicht das unterstützen, was wir ändern wollen«, sagte Sánchez. Seine PSOE sei die »Alternative«. Spanien benötige eine Regierung, die eine »demokratische Regeneration« und die »ökonomische Konsolidierung« mit sich bringt, und mit Blick auf die harten Einschnitte den »Sozialstaat zurückgewinnt«. Die müsse sich auch der »katalanischen Herausforderung« stellen, da Rajoy auch den Konflikt mit Katalonien so zugespitzt hat, dass man dort immer klarer auf dem Unabhängigkeitsweg wandelt.

Sánchez zeigte sich nun »noch besorgter« als vor dem Treffen. Rajoy habe weiterhin nicht geklärt, ob er sich überhaupt dem Parlament stellt. Der Konservative nahm zwar vergangene Woche den Auftrag des Königs zur Regierungsbildung nach den Neuwahlen im Juni offiziell an, sicherte dem aber nur zu, in einem »vernünftigen Zeitraum« eine Mehrheit zu suchen. Nach Ansicht von Verfassungsrechtlern ist das verfassungswidrig. Artikel 99 sieht eindeutig vor, dass der Kandidat »im Parlament das Programm der Regierung vorstellt, die er bilden will« und sich dort einer Abstimmung stellen muss.

Rajoy will eine Abstimmungsniederlage mit allen Mitteln verhindern. Nach den Dezemberwahlen lehnte er den Auftrag des Königs zur Regierungsbildung ab, was es zuvor noch nie gab. Rajoys Problem ist, dass seine PP zwar stärkste Partei ist, sie aber keine Unterstützer hat und nur 137 der 350 Parlamentssitze hält. Die neoliberalen Ciudadanos (Bürger) wollen sich nur enthalten. Sie wollen nur nach einer Erneuerung diese Partei unterstützen, die in viele Korruptionsskandale verstrickt ist. Und Christdemokraten aus Katalonien und dem Baskenland lehnen Rajoy ab, weil er ihre Autonomierechte weiter massiv ausgehöhlt hat. »Wenn der Rest der Rechten ›Nein‹ sagt, warum sollte die Linke ›Ja‹ sagen?«, fragt deshalb Sánchez und zeigt Rajoys Dilemma auf. Eine Möglichkeit wäre, dass er zur Seite tritt. Dazu ist er nicht bereit.

Rajoy nahm nach dem Treffen klar Stellung: »Wenn Sánchez beim Nein bleibt, werden die Wahlen erneut wiederholt.« Der sei »unaufgeschlossen«, dabei seien Rajoys Vorschläge »demokratisch, vernünftig, er repräsentiere die Spanier und beruhige die Investoren«. Er wolle weiter verhandeln, um ein Abkommen zu erreichen. Eine Alternative sprach Rajoy in seiner gewohnt kryptischen Art an, wonach »Sánchez eine andere Sache im Kopf« haben könne. Tatsächlich besteht rechnerisch weiter die Chance auf eine Linksregierung, mit Unidos Podemos (Vereint können wir es). Die regen baskische und katalanische Christdemokraten an und für sie wirbt Podemos aktiv, um Rajoy und die PP-Austeritätspolitik zu beerdigen. Die Tür hält sich Sánchez trotz des Widerstands in seiner PSOE offen. Er verwies erneut darauf, eine »progressive Mehrheit« sei möglich. So könnten Neuwahlen verhindert werden, gegen die sich auch alle in der PSOE aussprechen. Nach den Dezemberwahlen hatte Sánchez ein Bündnis mit Ciudadanos versucht, wofür er aber keine Unterstützer fand und scheiterte.

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