AfD sorgt für Ärger am Laternenpfahl

Wie sich die Rechtspartei im Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern als Opfer einer angeblichen Zerstörungswut der politischen Konkurrenz inszeniert

  • Robert D. Meyer
  • Lesedauer: 3 Min.
Wahlkampfzeiten werden für jeden offensichtlich, wenn die Straßen mit Partei-Plakaten gepflastert sind. Gerade bei dieser Form des Stimmenfangs wird auch deutlich: »Kampf« kann auch wörtlich gemeint sein.

Seit Ende Juli hängen sie wieder: Die Wahlplakate der Parteien zur Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern am 4. September. Mit einem Ärgernis dürften erneut alle Bewerber zu kämpfen haben: Vandalismus. Zerstörte Plakate und Werbebanden gehören bundesweit zu einer unrühmlichen Tradition. Wie gesagt: Alle Parteien haben damit zu kämpfen, wie unter anderem bei den letzten Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt dokumentiert wurde. Der Kampf um Wählerstimmen im Norden macht da keine Ausnahme.

Allerdings versucht ein Vertreter der Alternative für Deutschland (AfD) den Eindruck zu erwecken, die Rechtspartei sei dabei nicht nur das mit Abstand größte Opfer, sondern würde auch noch ausgerechnet vom politischen Gegner attackiert. »Bei jeder Wahl werden meist nur AfD-Plakate beschmiert, zerstört oder sogar gestohlen«, behauptet Thomas de Jesus Fernandes, Kreisvorsitzender des AfD-Kreisverbandes Mecklenburg-Schwerin laut dem regionalen Portal Schwerin-Lokal.de. Beweise für das angeblich fehlende »Demokratieverständnis der politischen Mitbewerber« liefert er allerdings nicht.

Stattdessen wurden von der AfD bereits Unschuldige an den Pranger gestellt, wie der Anti-Rechts-Blog »Endstation Rechts« berichtet. Auch in diesem Fall spielt de Jesus Fernandes eine unrühmliche Rolle. Auf seiner Facebookseite behauptete er, zwei AfD-Mitglieder hätten einen Wahlkämpfer der SPD auf »frischer Tat erwischt«.

Was tatsächlich mehr als das sonstige Ärgernis über zerstörte Plakate im Wahlkampf wäre, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als völlig harmlos: Der Vorfall ereignete sich am Samstag im Landkreis Ludwigslust-Parchim am Ortseingang der Gemeinde Plau am See. Im Auftrag der SPD war ein Mann unterwegs, der an Laternenmasten für die Sozialdemokraten Plakate hängte. Aus früheren Wahlkämpfen sollte hinlänglich bekannt sein, dass es beim Kampf um die Stimmen an einem Pfahl auch schon einmal eng werden kann. Nicht selten hängen drei oder mehr Plakate an einem einzigen Mast. Genauso war es auch in diesem Fall. Der Mann befestigte das SPD-Plakat und musste dafür, um die gesetzlich vorgeschriebene Mindesthöhe einzuhalten, das in der Mitte hängende AfD-Plakat ein paar Zentimeter verschieben. Da die verwendete Pappe offensichtlich zu dünn war und es an weiteren Befestigungen fehlte, schob sich die Werbung der Rechtspartei ein Stück zusammen.

Der Wahlhelfer hatte nicht einmal Zeit, das eigentlich unbedeutende Malheur zu korrigieren, als zwei AfD-Mitglieder ihn zur Rede stellten, reagierte die parteipolitische Konkurrenz über: Laut »Endstation rechts« nahmen sie dem SPD-Mann dessen Autoschlüssel weg und riefen die Polizei. Noch am gleichen Tag behauptete de Jesus Fernandes auf Facebook: »Ein vermutlich gewerblicher Plakatierer, der im Auftrag von Erwin Sellering (SPD) unterwegs war, wurde auf frischer Tat erwischt, als er unsere AfD-Plakate zerstörte und SPD-Plakate aufhing.« Was er jedoch nicht verriet: Die Polizei nahm gar keine Strafanzeige auf, da das betreffende Plakate mit wenigen Handgriffen zurechtgezogen werden konnte. Mit anderen Worten: Es war gar nicht kaputt, weshalb die Beamten auch keinen Anlass sahen, wegen Sachbeschädigung zu ermitteln.

Die erwünschte Wirkung des Postings blieb dank fehlender Schlüsselinformation nicht aus: Der Beitrag wurde mehr als 1000 Mal geteilt, zahlreiche Hasskommentare und Drohungen gegen den Mann ausgesprochen, der doch nur seine Arbeit richtig machen wollte. Laut »Endstation rechts« blieb es allerdings nicht dabei. Wie das Unternehmen berichtet, bei dem der Mann beschäftigt ist, seien weitere Kollegen und die Nummernschilder ihrer Autos während der Arbeit fotografiert worden. Aus Sicherheitsgründen wurden die Mitarbeiter abgezogen und hängen nun in anderen Kreisen Mecklenburg-Vorpommerns Plakate.

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