Mehr als die Döner-Bude nebenan

Mit Migrationshintergrund verdient man auch als Selbstständiger weniger

  • Simon Poelchau
  • Lesedauer: 3 Min.

Selbstständigkeit, das ist ein zweischneidiges Schwert: Zwar ist man da sein eigener Herr und hat keinen Chef über sich, dafür aber fehlt auch die finanzielle Absicherung für den Fall, dass die Aufträge mal ausbleiben. Deswegen wagt man häufig nur den Sprung in die Selbstständigkeit, wenn man eine gute Geschäftsidee hat oder es der letzte Ausweg vor der Arbeitslosigkeit ist.

Vor allem Menschen mit Migrationshintergrund machen sich selbstständig, wie eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt. 709.000 Unternehmer mit Zuwanderungsgeschichte gab es 2014. Dies ist ein Viertel mehr als noch im Jahr 2006. Zum Vergleich: Im selben Zeitraum ging der Anteil der Solo-Selbstständigen an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen von 6,3 auf 5,9 Prozent zurück.

Dabei trifft das rassistische Klischee vom Dönermann oder Gemüsehändler immer seltener zu. Nur noch 28 Prozent der Selbstständigen mit Migrationshintergrund sind im Handel oder Gastgewerbe tätig - ein Rückgang von zehn Prozent im Vergleich zu 2005. Und sie sind »ein Jobmotor für Deutschland«, wie der Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, Aart De Geus, die Ergebnisse der Studie positiv herausstellt. Mittlerweile haben 1,3 Millionen Angestellte einen Chef der nicht Maier oder Müller, sondern Mutlu oder Milanović heißt.

Vor allem in Berlin treten Migranten immer häufiger als Chefs auf. Wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung kürzlich herausstellte, wurde von den 36.289 Betriebsgründungen vergangenes Jahr in Berlin fast die Hälfte von Menschen ohne deutschen Pass durchgeführt. Die Mehrheit der Gründungen stammt dabei von Menschen aus Polen.

Bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hält man die Ergebnisse der Studie für nicht so positiv. »Migrantinnen und Migranten haben in Deutschland nach wie vor schlechtere Chancen, überhaupt einen Arbeitsplatz zu finden«, meint ver.di-Sprecherin Eva Völpel. Und wenn sie einen gefunden hätten, so würden sie im Durchschnitt nach wie vor schlechter bezahlt als Menschen ohne Migrationshintergrund.

Völpel zu Folge ergäben sich »aus dieser Diskriminierung« heraus »starke Motive, in die Selbstständigkeit zu gehen«. Auch wenn die aktuelle Bertelsmann-Studie dies nicht explizit untersuche, wiesen einige ihrer Ergebnisse doch deutlich auf diesen Umstand hin. » So etwa, wenn sie zeigt, dass zwar auch selbstständige Migrantinnen und Migranten weniger verdienen als Selbstständige ohne Migrationshintergrund, sie aber immer noch mehr verdienen als abhängig Beschäftigte mit Migrationshintergrund«, so die Sprecherin.

So verdienen Erwerbstätige mit einer Zuwanderergeschichte mit einem durchschnittlichen Netto-Monatseinkommen von 2167 Euro 40 Prozent mehr als Beschäftigte mit Migrationshintergrund (1537 Euro). Als Unternehmer mit Angestellten können sie es mit 2994 Euro sogar fast auf das Doppelte der Beschäftigten mit Zuwanderergeschichte bringen. Doch noch immer verdienen sie im Schnitt rund 30 Prozent weniger als Unternehmer ohne Migrationshintergrund.

»Der Staat muss zusammen mit den Gewerkschaften Schutzmechanismen entwickeln, damit die Integration in den Arbeitsmarkt nicht zu einem Dumping-Wettlauf zwischen Neuangekommenen und schon länger hier Lebenden führt«, fordert deshalb die Beauftragte der Linksfraktion für Migration und Integration, Sevim Dagdelen.

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