Ditib will sich von Ankara lösen
Islamverband will Förderungen durch die Türkei zurückfahren / Grüne: Vereinigung muss Religion und Nation trennen
Frankfurt am Main. Der massiv in die Kritik geratene türkische Islamverband Ditib will langfristig finanziell unabhängig von der Türkei werden. »Die Frage ist, wie lange die Türkei die Unterstützung der Ditib-Imame noch leisten wird«, sagte Ditib-Sprecher Zekeriya Altug der »Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung«. »Wir müssen uns langfristig nach Alternativen in der Finanzierung umschauen.«
Die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) ist der größte islamische Verband in Deutschland. Zuletzt hatten mehrere Bundesländer die Kooperation mit der vom türkischen Staat finanzierten Ditib in Frage gestellt, weil sie Einflussversuche des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan fürchteten.
Es sei nicht neu, dass Ditib mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet kooperiere, sagte Altug. »Ditib ist und bleibt politisch neutral.« Bis auf die Imame, »welche die Diyanet bereitstellt, für die wir kein Gehalt zahlen müssen«, gebe es auch keine finanzielle Unterstützung durch den türkischen Staat oder die Diyanet.
Bisher entsendet die türkische Religionsbehörde ihre Beamten für bis zu fünf Jahre in deutsche Ditib-Gemeinden. Diese sprechen meist kaum Deutsch. Künftig »sollen und werden« die Imame in den mehr als 900 Ditib-Gemeinden nach den Angaben Altugs in Deutschland beheimatet sein und die deutsche Sprache als Muttersprache beherrschen.
Die Ditib fördert seit zehn Jahren ein Ausbildungsprogramm in der Türkei, das bisher etwa 150 Absolventen hervorgebracht hat, von denen 60 als Ditib-Imame tätig sind. Die Auszubildenden müssen deutsche Staatsangehörige sein. Altug sagte, er gehe davon aus, »dass in zehn Jahren mindestens die Hälfte unserer Imame in Deutschland sozialisiert sein wird«.
Der Grünen-Politiker Volker Beck begrüßte die Ankündigung des Verbandes, forderte aber weitere Schritte. »Es ist gut, dass die Ditib langsam anerkennt, dass ihre Abhängigkeit von Ankara in Deutschland als Problem empfunden wird«, erklärte der religionspolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Aber Problem sei nicht allein die Finanzierung.
Ditib sei ein türkisch-sunnitischer Verband. »Muslimisch ist ein religiöses Bekenntnis, türkisch sein dagegen nicht«, fügte Beck hinzu. »Wollen die islamischen Organisationen als Religionsgemeinschaften anerkannt werden, müssen sie politische oder nationale Merkmale ablegen und sich neu aufstellen.« AFP/nd
Wir haben einen Preis. Aber keinen Gewinn.
Die »nd.Genossenschaft« gehört den Menschen, die sie ermöglichen: unseren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die mit ihrem Beitrag linken Journalismus für alle sichern: ohne Gewinnmaximierung, Medienkonzern oder Tech-Milliardär.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ Themen sichtbar machen, die sonst untergehen
→ Stimmen Gehör verschaffen, die oft überhört werden
→ Desinformation Fakten entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und vertiefen
Jetzt »Freiwillig zahlen« und die Finanzierung unserer solidarischen Zeitung unterstützen. Damit nd.bleibt.