Riskante Farbenspiele

Martin Kröger über die 
Koalitionsaussage der SPD

  • Lesedauer: 2 Min.

Es gab Hinweise. Dass sich der Spitzenkandidat der Berliner SPD, Michael Müller, 33 Tage vor der Wahl in einer Koalitionsaussage zu den Grünen bekennt, war für viele Parteipolitiker dennoch überraschend - auch wenn sich der Prozess der Abkehr Müllers von der CDU unter Frank Henkel spätestens seit dem Koalitionskrach zur Ehe für alle vollzieht. Aber welches Kalkül verfolgt Müller mit diesem Bekenntnis zu einem Bündnis, für das in den Umfragen zuletzt selten eine Mehrheit gemessen wurde?

Zuallererst geht es bei Müllers Farbenspielen sicher darum, die eigenen Reihen zu schließen und die Stimmenzahl für die SPD zu maximieren. Die Abgrenzung zur Union, die er in der rechten Ecke verortet, soll unentschiedene Wähler aus der Mitte zur SPD locken. Müllers Botschaft: Wir sind die liberale, moderne Großstadtpartei, Henkels Union dagegen sei dem Populismuskurs auf den Leim gegangen und gehe am rechten Rand der Gesellschaft auf Stimmenfang. Damit wäre die Mitte, wo Wahlen gewonnen werden, für die SPD frei.

Das zweite Kalkül Müllers dürfte die frühzeitige Einhegung der Grünen sein. Quasi in einer Art Unterwerfungsgeste soll die Ökopartei ihre schwarz-grünen Pläne begraben und sich ebenfalls auf die SPD als Partner festlegen. Diesem Wunsch kamen die Grünen umgehend nach der Veröffentlichung von Müllers Koalitionsaussage nach. Sollten also die Grünen überraschend doch stärkste Kraft werden, würden die Sozialdemokraten die Grünen an ihr Versprechen erinnern.

Und was passiert, wenn das alles nicht klappt? Dann haben Michael Müller und die SPD vorgesorgt. Am Katzentisch einer zukünftigen Dreierkoalition könnten FDP oder die LINKE Platz nehmen - oder am Ende doch die CDU ohne Henkel?

Mal schauen, wie der Wähler auf die ausgerufenen Müller’schen Farbenspiele reagiert. Es ist nicht ohne Risiko, vor Wahlen Koalitionen zu bestimmen. Am Ende könnte etwas ganz anderes herauskommen als erhofft.

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