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Ein Solitär für Zeitgenössisches

Ein Gespräch mit dem Direktor des Musée d’Art Moderne in Luxemburg

  • Lesedauer: 4 Min.

Herr Lunghi, was ist aus Ihrer Sicht in den vergangenen zehn Jahren gut gelungen?

Das MUDAM war für viele Luxemburger kein Lieblingsort. Der Hauptgrund war, dass dieses Kunstdomizil begleitet von harten Polemiken entstanden ist. Das hat sich inzwischen geändert. Die meisten Luxemburger sind jetzt stolz auf das Museum.

Sind die Luxemburger fokussiert auf das Gebäude von Ieoh Ming Pei, das international ausstrahlt oder interessiert an der Kunst?

Die Begeisterung für den Bau war unmittelbar nach den Entstehungsschwierigkeiten immer da. Aber die Luxemburger hatten sich nicht mit dem Museum identifiziert. Das Verständnis ist inzwischen dafür gewachsen, dass das Museum ein Haus für zeitgenössische Kunst ist und kein »Museum der Moderne«, wie es ja im Namen steht. Es hat auch damit zu tun, dass inzwischen das MUDAM international anerkannt wird.

Man wollte gerade hier ein Stück Klassische Moderne haben?

Es war eben der Traum vieler, dass Luxemburg mit dem Museum an die Präsentationen der Moderne anschließen könnte. Es gab einen Nachholbedarf, aber es war nicht realistisch. Das hat mit unserer Geschichte und mit unserem geografisch-demografischen Kontext zu tun. Es hat keinen Sinn, hier dieselben Ausstellungen zu machen wie in Berlin, London oder Paris.

Gibt es in Europa ein Museum für das Zeitgenössische ohne den Hintergrund der klassischen Moderne als Referenz?

Luxemburg ist hier ein Sonderfall.

Die Sammlung setzt mit der Kunst der 80er Jahre ein?

Ab 1996 haben die Ankäufe begonnen. Zuerst war es auf einige Namen aus den 80er Jahren fokussiert. Marie Claude Beaud, die erste MUDAM-Direktorin hat dann sehr schnell das Programm in Richtung Gegenwartskunst und Design erweitert. Ich habe im Geist von Marie Claude weiter gearbeitet.

Welche Hauptstrategien der so vielfältigen zeitgenössischen Kunst finden Eingang in das MUDAM?

Für mich ist es wichtig, dass die Kunst, die wir zeigen, etwas mit dem Leben und Dasein zu tun hat, egal ob Video, Malerei, Installation. Wir geben hier die Chance, sich mit der Kunst die Welt anzuschauen. Dies immer mit kritischer aber auch poetischer Distanz und ein bisschen Humor.

Die Reibung am Gezeigten ist immer noch sehr groß und reicht bis zur Ablehnung?

Zeitgenössische Kunst ist nicht der Liebling des großen Publikums. Die meisten bevorzugen den Impressionismus und selbst, wenn man über Picasso redet, teilen sich schon die Meinungen, obgleich jeder sagt, er bewundere die Werke.

Kann das Sammlungskonzept des MUDAM, so konsequent allen gesicherten Werten zu entsagen und unmittelbar mit der Gegenwart zu beginnen, ein Vorbild sein für andere Institutionen mit vergleichsweise eher begrenztem Ankaufsetat?

Nein, ein Vorbild nicht. Es kann als ein Beispiel gelten, wie man es machen könnte. Luxemburg hat sich in den letzten dreißig Jahren sehr stark entwickelt, kosmopolitisch, international. Es ist reicher geworden, diese Bedingungen sind Teil des Prozesses. Es ist kein Zufall, dass solch ein Museum entsteht, dazu die Philharmonie, das Grand Théâtre. Luxemburg spielte mit der Etablierung des Finanzplatzes plötzlich eine größere internationale Rolle. Diese musste man auch kulturell reflektieren.

Welche Kooperationsbeziehungen gibt es?

Wir haben gute Beziehungen zu Museen in Europa, Nordamerika, aber auch Japan, Südkorea und sogar Australien. Unser Netzwerk ist mobil. Es wäre nicht sinnvoll, sich in dem kurzen Zeitraum schon auf drei, vier feste Partner zu fixieren. Eine fantastische Zusammenarbeit besteht mit unseren Nachbarn, dem Centre Pompidou Metz und dem Saarlandmuseum.

Es gab faszinierende Ausstellungen ...

Es war ja fast wie ein Traum, was wir für schöne Projekte machen konnten. Ab 2010 gab es eine Serie von Einzelausstellungen, mit denen internationale Positionen sichtbar gemacht wurden. Dazu gehörten die Luxemburger Künstlerin Tina Gillen, Victor Man aus Rumänien, der Norweger Borre Saethre, die Amerikanerin Sarah Sze, aber auch Lee Bul, Sylvie Blocher, Daniel Buren, Thomas Hirschhorn. Zum Jubiläum haben wir eine Schau mit Wim Delvoye.

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