Für Ältere wird es teuer

Autoversicherung für Senioren

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Selbst wer ein Leben lang unfallfrei gefahren ist, muss im Alter für die Kfz-Versicherung happige Zuschläge zahlen. Das ergab eine Untersuchung der Stiftung Warentest in Berlin. Wer über 75 Jahre alt ist, zahlt danach fast die Hälfte mehr als ein 55-Jähriger - für denselben Versicherungsschutz und bei sonst gleichen Voraussetzungen.

»Ich bin 74 Jahre und für die Versicherung eine Milchkuh«, schreibt eine Leserin. In den letzten Jahren habe ihr Versicherer die Prämie um jeweils mehr als zehn Prozent erhöht. Dabei fährt unsere Leserin seit Jahrzehnten unfallfrei.

Der Fall von Frau M. ist kein Einzelfall. Dabei gibt es Seniorenzuschläge erst seit 2012. Doch damit nicht genug der Ungleichbehandlung: Einige Versicherer nehmen ältere Kunden in manchen Tarifen gar nicht erst an. Und wer noch eine alte Police besitzt, muss sogar mit Kündigung rechnen, kritisiert der gewerkschaftsnahe Automobilclub ACE.

Ein 75-jähriger Modellkunde würde für seinen Audi bei der Allsecur-Versicherung im sogenannten Komforttarif 558 Euro im Jahr zahlen - wäre er 55 Jahre alt, wären es nur 329 Euro. Im Durchschnitt kosten die von der Stiftung Warentest untersuchten Tarife für einen Autofahrer ab 75 Jahre sagenhafte 47 Prozent mehr als bei einem 55-Jährigen. Ab 80 Jahre wird es nochmals teurer: Die Tarife steigen im Vergleich zu einem 55-jährigen im Schnitt um 76 Prozent.

Eigentlich verstößt diese Preisgestaltung gegen die Idee der Versicherung: Viele zahlen ein, damit der Einzelne abgesichert ist. Die kriselnde Versicherungswirtschaft versucht allerdings mittlerweile an vielen Stellen, diesen Solidargedanken zugunsten höherer Tarife auszuhebeln.

Die altersspezifische Preisgestaltung ist zudem ein klarer Fall von Diskriminierung. Viele Betroffene sehen einen Gesetzesverstoß. Vor mehreren Landgerichten sollen bereits Klagen laufen. Doch bis diese Prozesse höchstrichterlich entschieden sind, können noch viele Jahre vergehen. Die Versicherungswirtschaft verweist - kurioserweise - derweil auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Dies gestattet Ausnahmen, wenn für eine unterschiedliche Behandlung ein sachlicher Grund vorliegt.

Ältere Autofahrer verursachen weniger Unfälle

Ihren Preisboom begründet die Versicherungswirtschaft mit steigenden Schäden, die ältere Fahrer verursachen würden. Doch verursachen Senioren wirklich höhere Schäden in der Kfz-Versicherung?

So eindeutig ist die Sache nicht. Ältere Menschen spielen allein schon durch die demografische Entwicklung als Teilnehmer im Straßenverkehr eine immer größere Rolle. Der Anteil der Menschen im Alter ab 65 Jahren an der Gesamtbevölkerung steigt ständig, in den letzten zwanzig Jahren von 15,3 auf 20,8 Prozent. Insgesamt leben rund 17 Millionen Personen im Alter von mindestens 65 Jahren in Deutschland.

An Unfällen mit Personenschaden waren im Jahr 2014 nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes 70 856 ältere Menschen beteiligt. Das waren nur 12,6 Prozent aller Unfallbeteiligten. Besonders niedrig ist die Beteiligung an Unfällen übrigens in Thüringen und Sachsen. Das Fazit der amtlichen Statistiker für Deutschland: »Senioren haben damit im Vergleich zu ihrem Bevölkerungsanteil eine unterproportionale Unfallbeteiligung.«

Daraus kann allerdings nicht einfach geschlossen werden, dass ältere Fahrer sicherere Fahrer sind. Die deutlich geringere Beteiligung an Unfällen spiegelt auch deren geringere Verkehrsteilnahme als Fahrzeugführer wider. So ist die durchschnittliche Fahrleistung pro Pkw und Jahr von Senioren noch deutlich niedriger als bei jüngeren Altersgruppen. Auch die Pkw-Verfügbarkeit insbesondere bei älteren Frauen ist erheblich geringer.

Was sollten Ältere tun?

Da die Zahl der älteren Autofahrer in der Gesellschaft Jahr für Jahr zunimmt, werden sie auch als Zielgruppe für Versicherer immer interessanter. Dadurch entstehen Chancen für Verbraucher. Wie man sie nutzen kann, darauf verweist ein anderer Leserbriefschreiber: »Ich habe ein neues Angebot eingeholt und werde wechseln.«

Oft spart man mehr als 100 Euro, wenn man den Autoversicherer wechselt. Stichtag für den Wechsel ist bei den meisten Versicherungsverträgen der 30. No- vember. Doch die Wahl einer günstigen Versicherung ist auch außerhalb dieses Stichtags möglich: Etwa nach dem Kauf eines Autos, nach einem Schadensfall oder nach einer Beitragserhöhung durch den Versicherer.

Es kann sich auch ohne Wechsel des Versicherers lohnen, den laufenden Vertrag zu checken: Ist die Jahreskilometerleistung zu hoch? Kommt ein Werkstatttarif infrage?

Falls ein jüngerer Lebenspartner vorhanden ist, kann man das Auto über ihn versichern. Er kann dann den gemeinsam erfahrenen Schadenfreiheitsrabatt übernehmen. Ältere Fahrer können einen Seniorenzuschlag auch vermeiden, wenn sie in den Vertrag ihrer Kinder eingeschlossen werden. Eine Übertragung des Schadenfreiheitsrabatts ist möglich, so der Automobilclub ACE, wenn das Fahrzeug vom »Kind« regelmäßig genutzt wurde und glaubhaft versichert wird, dass die Anrechnung gerechtfertigt ist.

Preisgünstige Tarife für den individuellen Bedarf kann man im Internet unter www.test.de/kfz-analyse ermitteln lassen (Kosten 7,50 €).

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