Heftige Kritik an »Berliner Erklärung«
Nicht nur bei der SPD gibt es Bedenken gegen das Sicherheitspapier der Unions-Innenminister
Das Medienecho war enorm, als die Innenminister der Union am vergangenen Freitag ihre »Berliner Erklärung« verabschiedeten. Das neunseitige Papier will unter anderem das Tragen der Burka in der Öffentlichkeit einschränken und den Doppelpass auf den Prüfstand stellen. Ohne den Koalitionspartner geht da allerdings gar nichts. In einigen Punkten meldeten die Sozialdemokraten umgehend Widerstand an. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) etwa kritisierte die Debatte um die Abschaffung der doppelten Staatsbürgerschaft: »Das ist eine Misstrauenserklärung gegen die weit überwiegende Mehrheit der Doppelstaatler, die voll hinter dem Grundgesetz steht«, sagte Maas.
Auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann störte sich an den Plänen der Union. Die Diskussion um Burka und doppelte Staatsangehörigkeit hätten mit Innerer Sicherheit nichts zu tun. »Sie schüren nur Ängste gegenüber muslimischen Mitbürgern und lenken von den wirklichen Problemen ab.« Oppermann sah ganz andere Motive bei den Unionsministern als die vorgebliche Sorge um die öffentliche Sicherheit in Deutschland. »Die wahlkämpfenden CDU-Innenminister Frank Henkel und Lorenz Caffier irrlichtern über Wochen mit sachfremden Themen durch das Land«, sagte Oppermann mit Blick auf die anstehenden Landtagswahlen in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern.
Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) hatte wohl auch seine Karnevalshochburg Köln im Sinn, als er am Wochenende betonte: Wenn das Vermummen in der Öffentlichkeit untersagt werde, träfe das auch Faschingskostüme. Jäger unterstrich, die Burka-Debatte sei »aufgesetzt« und »überhöht«. Ursprünglich hatte die »Berliner Erklärung« gar ein Totalverbot der Vollverschleierung vorgesehen. Nachdem sich mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Kanzlerin Angela Merkel zwei ranghohe Unionspolitiker gegen ein solches Verbot ausgesprochen hatten, entschärfte man die ursprüngliche Version.
Wenn man in der Union hoffte, wenigstens die Gewerkschaft der Polizei (GdP) würde den Vorstoß für ein teilweises Verbot der Vollverschleierung begrüßen, dann sieht man sich nun getäuscht. »Die Burka interessiert uns als Polizei nur, wenn sie bei einer Identitätsfeststellung hinderlich sein sollte«, sagte der stellvertretende GdP-Vorsitzende Jörg Radek der »Mitteldeutschen Zeitung«.
Scharfe Kritik an der Erklärung kommt auch von der Bundesdatenschutzbeauftragten Andrea Voßhoff, selbst CDU-Mitglied. Ihr Unmut richtet sich gegen den ebenfalls in dem Papier geforderten Ausbau der Videoüberwachung im öffentlichen Raum und die Ausweitung der Vorratsdatenspeicherung. »Wenn wir unsere Grundrechte, das heißt auch den Datenschutz, verfassungswidrig einschränken, verlieren wir das, was unsere Demokratie auszeichnet«, erklärte Voßhoff am Samstag in Berlin. »Dann hätten die Feinde der Demokratie ihr Ziel erreicht.«
Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.
Dank Ihrer Unterstützung können wir:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln
Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.