Immer besser

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.

Alles wird immer besser in Berlin. In Bussen gibt es beispielsweise neuerdings nicht nur die stets kurzweiligen Durchsagen des Busfahrers (»Türbereich freimachen, sons’ fahr ick nich’ weita!«), die ausgelassenen Plappereien der Fahrgäste (»Ich reiß’ dir den Kopf ab und fick’ dich in den Hals!«), possierliche Tierlaute und die unbeschwerten Kieksstimmchen fröhlich umhertollender Kinder (»Gib Handy, du Spast!«) zu hören, die sich allesamt zu einem harmonischen Chor vereinen. Die heitere Kakophonie wurde erfreulicherweise nun bereichert um eine äußerst wichtige elektronische Durchsage, die neuerdings ungefähr alle fünf bis zehn Minuten aus Lautsprechern ertönt: »Zur Ihrer eigenen Sicherheit bitten wir Sie, sich während der Fahrt festzuhalten.« So sind sie, unsere Berliner Verkehrsbetriebe: immer um unser Wohlergehen besorgt, immer neue clevere Ideen zur Gaudi der Fahrgäste austüftelnd, immer vorne mit dabei, wenn der technische Fortschritt in die Zukunft marschiert. Sie scheuen weder Kosten noch Mühen, uns, die Fahrgäste, mit überlebensnotwendigen Informationen zu versorgen. Weil sie uns lieben. Wir warten also auf weitere mutige unkonventionelle Schritte, die unerträgliche Stille in den öffentlichen Verkehrsmitteln zu bekämpfen, und auf weitere unverzichtbare elektronische Durchsagen: »Zur Ihrer eigenen Sicherheit bitten wir Sie, während der Fahrt zu atmen.« »Zu Ihrer eigenen Sicherheit bitten wir Sie, während der Fahrt nicht zu urinieren.« So wird Berlin immer knuffiger, authentischer, sozusagen berlinerischer.

Die beste aller Berliner Buslinien ist die M 41. Wie der glückliche Fahrgast, der im Bus nicht länger dem unerträglichen Schweigen um sich herum ausgesetzt ist, ist auch die Linie M 41 nicht mehr ins alte, starre, dumme System gezwängt: Sie hat sich mit Erfolg aus dem Fahrplankorsett herausgekämpft, in die Freiheit. M-41-Busse sind autonom, selbstbestimmt. Sie sind für den Berliner Nahverkehr, was die Marianne für die französische Republik ist. In der Regel kommen alle halbe Stunde drei überfüllte Busse. Manchmal fahren auch zwei leere Busse an den Wartenden vorbei, einfach so. Die Schönheit dieses Vorgangs liegt in seiner Unberechenbarkeit. Der M-41-Bus hat die Ketten der tristen Regelmäßigkeit, an die andere Buslinien noch geschmiedet sind, gesprengt. Es ist der Geist der Freiheit, der einem da entgegenweht, während man den leeren und überfüllten Bussen nachsieht. Wenn sie fahren. Manchmal kommt auch mal 40 Minuten lang gar kein Bus, wodurch man reichlich mit Wartezeit beschenkt wird, Zeit zum Nachdenken über das Leben, zur stillen Meditation, für Kreativität, Zeit, die der Wartende sonst mit allerlei Mumpitz, Tändelei und Lumperei verbrächte und die er nun mit all jenen Träumereien füllen kann, für die gewöhnlich im hektischen Berliner Alltag kein Platz bleibt.

An den Bushaltestellen, die von der Linie bedient werden, hat die BVG aber, warum auch immer, trotzdem drollige Fantasiefahrpläne anbringen lassen, die täuschend echt aussehen.

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