Großbritannien taumelt aus der EU

Brexit-Minister Davis: Verbleib im Binnenmarkt unwahrscheinlich

  • Peter Stäuber, London
  • Lesedauer: 3 Min.

Der britische Minister für den Ausstieg aus der EU gabt sich bei seinem ersten Auftritt vor dem versammelten Parlament zuversichtlich. David Davis sprach am Montag von neuen Chancen, Horizonten und Freiheiten, die dank dem Brexit-Entscheid auf das Land warteten. Zudem werde Großbritannien aus einer Position der ökonomischen Stärke in die Verhandlungen gehen: »Unsere Wirtschaft ist robust«, sagte der Minister und verwies auf ein verbessertes Konsumklima und einen Dienstleistungssektor, der im August überraschend gut abschnitt.

Aber mit Details der kommenden Verhandlungen blieb Davis mehr als vage. Brexit bedeute »schlichtweg, dass wir die Europäische Union verlassen«, sagte Davis. In den zwei Stunden, die sein Auftritt dauerte, wurde er kaum konkreter. Er gab weder Auskunft darüber, wann Großbritannien das formelle Austrittsgesuch stellen wird, noch legte er dar, was für Handelsbeziehungen sich die Regierung zu den EU-Staaten wünscht. Einige Abgeordnete reagierten dann auch ungehalten: »Geschwätz!« riefen sie; auf den Oppositionsbänken beklagte man die »erstaunlich leeren Ausführungen« des Ministers.

Nur beim Binnenmarkt gab er einen Hinweis auf die Regierungspläne. Eine fortgesetzte Mitgliedschaft im gemeinsamen europäischen Markt sei »sehr unwahrscheinlich«, wenn nicht die Einwanderung beschränkt würde. Stattdessen strebt Davis ein Handelsabkommen an, das so frei sein soll wie möglich, aber gleichzeitig eine Kontrolle der Immigration erlaube. Das liege auch im Interesse der EU, sagte Davis.

Auf dem G20-Gipfel wurde Premierministerin Theresa May am Wochenende jedoch mit Forderungen konfrontiert, die sich kaum mit den Plänen ihres Ministers vereinbaren lassen. Japan etwa warnte, dass eine ganze Reihe von Unternehmen aus Großbritannien abziehen würden, wenn nicht ein guter Teil der Privilegien blieben, die sich aus dem Zugang zum Binnenmarkt ergeben. Konzerne mit Hauptquartieren in London, für die Großbritannien das Zugangstor nach Europa ist, würden in andere EU-Staaten abwandern, wenn die EU-Bestimmungen wie die Personenfreizügigkeit nach dem Brexit nicht mehr gelten würden, hieß es in Tokio. Auch US-Präsident Barack Obama warnte vor den nachteiligen Folgen des Brexit.

Dass die Kontrolle der Einwanderung auch für May hohe Priorität hat, ließ sie am Montag durchblicken, als sie ein von Brexit-Befürwortern empfohlenes Punktesystem nach australischem Vorbild zurückwies, bei dem Migranten bestimmte Kriterien in Bezug auf Ausbildung oder Sprachkenntnisse erfüllen müssen. Das gebe nicht genügend Kontrolle darüber, wer ins Land kommt, so May auf einer Pressekonferenz. Nigel Farage, der einstige Chef der rechtspopulistischen United Kingdom Independence Party, war schnell zur Stelle, um der Premierministerin vorzuwerfen, sie ignoriere die Wünsche der Briten. Dabei missachtet er die Tatsache, dass May das Punktesystem gerade deshalb für untauglich hält, weil es die Zahlen der Einwanderer nicht wirksam beschränken kann. Dass die Personenfreizügigkeit am Ende sei, hatte May bereits vergangene Woche betont: Immigrationskontrollen seien nicht verhandelbar, informierte sie ihr Kabinett.

Wir stehen zum Verkauf. Aber nur an unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört denen, die sie lesen und schreiben. Sie sichern mit ihrem Beitrag, dass unser Journalismus für alle zugänglich bleibt – ganz ohne Medienkonzern, Milliardär oder Paywall.

Dank Ihrer Unterstützung können wir:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen in den Fokus rücken
→ marginalisierten Stimmen eine Plattform geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten anstoßen und weiterentwickeln

Mit »Freiwillig zahlen« oder einem Genossenschaftsanteil machen Sie den Unterschied. Sie helfen, diese Zeitung am Leben zu halten. Damit nd.bleibt.

- Anzeige -
- Anzeige -