Babina Greda - ein Dorf wie in Kärnten

Kroatien wählt vorzeitig ein neues Parlament

  • Thomas Roser, Babina Greda
  • Lesedauer: 2 Min.

Unter dem Beifall von rund 200 Parteiaktivisten schreitet der Hoffnungsträger der sozialdemokratischen SDP über die festlich geschmückte Uferwiese. «Wir wollen, dass Babina Greda ein Dorf wie in Kärnten wird!», verkündet Ex-Premier Zoran Milanovic den Zuhörern: «Wir kämpfen dafür, dass man auf dem kroatischen Land wie im Westen lebt!» Am Sonntag finden in Kroatien vorzeitige Parlamentswahlen statt.

Seit dem EU-Beitritt 2013 habe sich nur die Emigration beschleunigt, klagt ein bärtiger Wahlkampfhelfer im roten T-Shirt: «Früher gingen nur die Männer als Gastarbeiter ins Ausland. Nun ziehen ganze Familien weg. Es gibt hier keine Jobs und keine Perspektive.»

Nicht einmal ein Jahr liegt die letzte Wahl zurück, die der konservativen HDZ unter der Führung des Ex-Geheimdienstchefs Tomislav Karamarko die Rückkehr auf die Regierungsbank bescherte. Doch im Dauerzank zerlegte sich die Koalition der HDZ mit der Protestpartei Most unter dem parteilosen Premier Tihomir Oreskovic in Windeseile. Der Rücktritt von Karamarko als Vizepremier kam für die Rettung der Chaoskoalition zu spät: Als neuer HDZ-Chef will der bisherige Europaabgeordnete Andrej Plenkovic seine Partei wieder in die Mitte - und in ruhigeres Fahrwasser lotsen.

Die «falschen Patrioten» der HDZ seien «nicht vorbereitet fürs Regieren», ätzt in Babina Greda der 50-jährige Oppositionschef Milanovic, der von 2011 bis 2015 selbst eher erfolglos die Regierungsgeschäfte führte: «Wir sind erfahren - und für die Regierung bereit.» In den letzten Monaten hätten die Kroaten begriffen, wer ein «echter Patriot» sei, und kompromisslos für die Heimat kämpfe«.

Als eine »Handvoll Elend« hatte Milanovic in einem Gespräch mit Kriegsveteranen den einstigen Kriegsgegner Serbien, als »Bullshit« den Nachbarn Bosnien geschmäht. Es ist der Konfrontationskurs des Oppositionschefs gegenüber den Nachbarn irritiert. Immer mehr Kroaten empfinden die Wahl zwischen den beiden Volksparteien als Entscheidung zwischen Regen und Traufe. Die neuen Protestparteien bieten vielen auch kaum einen Ausweg aus der Misere: Es war auch der dilettantische Schlingerkurs der selbst erklärten Reformpartei Most, der die letzte Regierung so früh zu Fall brachte.

Egal, ob bei dem Urnengang wie erwartet die SDP oder doch die HDZ vorne liegen sollte, klare Mehrheiten sind nicht in Sicht, ein mühsamer Koalitionspoker scheint hingegen ausgemacht. Die Most sei für die SDP »zu klerikal«, Milanovic sei zudem ein sturer und wenig kooperativer »Apparatschik«, sagt ein SDP-Aktivist und mag an eine Koalition mit der Most kaum glauben: »Da wird nichts rauskommen. In sechs Monaten wird wieder gewählt.« Für eine große Koalition seien die beiden Erzfeinde »noch nicht genug ausgelaugt«.

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