Freistellungs- oder Anrechnungsmethode?

Nachtrag zur Doppelbesteuerung

  • Dr. Rolf Sukowski
  • Lesedauer: 5 Min.

Zunächst zur Steuerpflicht: In Deutschland ist jede natürliche Person unbeschränkt steuerpflichtig, die im Inland ihren Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das bedeutet zunächst also, die Steuerpflicht besteht unabhängig vom Lebensalter und von der Staatsangehörigkeit der betreffenden Person. Das bedeutet jedoch nicht automatisch, dass auch eine Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung besteht.

Einen gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand, wenn er sich ohne einen eigenen Wohnsitz (Haushalt) in der Regel länger als 183 Tage in Deutschland aufhält, zum Beispiel als Student im Internat, als Monteur in einem Hotel. Unbeschränkt Steuerpflichtige unterliegen dem Welteinkommensprinzip, das heißt, sie sind mit ihren in- und auch ausländischen Einkünften steuerpflichtig.

Beschränkt steuerpflichtig sind dagegen natürliche Personen, die in Deutschland keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, jedoch Einkünfte aus Deutschland beziehen. Für sie gilt das Territorialprinzip, denn sie sind nur mit diesen Einkünften in Deutschland steuerpflichtig.

Da die meisten anderen Staaten ähnliche Regelungen haben, entsteht also unter Umständen eine doppelte Steuerpflicht - im Wohnsitzstaat auf Grund des Welteinkommensprinzip (Wohnsitzlandprinzip) und zusätzlich im Tätigkeits- oder Quellenstaat auf Grund des dort geltenden Territorialprinzips (Quellenlandprinzip).

Zwischenstaatliche Abkommen vermeiden Doppelbesteuerung

Für wen kann eine Doppelbesteuerung zutreffen? Beispielsweise für einen Arbeitnehmer mit Wohnsitz in Berlin und beruflicher Tätigkeit in der Schweiz; oder wenn ein deutscher Rentner seinen Wohnsitz dauerhaft nach Mallorca verlegt; oder wenn ein selbstständiger Bäcker aus Frankfurt/Oder im polnischen Słubice zusätzlich ein Ladengeschäft eröffnet.

Um eine doppelte Besteuerung zu vermeiden, werden zwischenstaatlich »Abkommen zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung« (DBA-Abkommen) abgeschlossen. Anfang 2016 hatte die Bundesrepublik mit fast 100 Staaten und Gebieten solche Abkommen abgeschlossen (siehe www.bundesfinanzministerium de/Web/ DE/Themen/Steuern/Internationales_Steuerrecht/Staatenbezogene_Informationen/staatenbezogene_info.html).

Die meisten dieser Abkommen basieren auf einem Musterabkommen der OECD bzw. einem Modellabkommen der UNO und haben damit alle eine gewisse Ähnlichkeit bezüglich der darin getroffenen Regelungen. In ihnen ist bilateral vereinbart, für welche Art von Einkünften der Wohnsitzstaat das Besteuerungsrecht hat und für welche der Quellenstaat und wie dann der andere Vertragsstaat diese Einkünfte steuerlich zu behandeln hat. Dafür kommen dann die Freistellungsmethode oder die Anrechnungsmethode zur Anwendung.

In den nationalen Steuergesetzen ist die konkrete Verfahrensweise zur steuerlichen Berücksichtigung dieser Einkünfte im Inland enthalten.

Beispiel: Deutsche Arbeitnehmer in der Schweiz

Hier gilt gemäß dem DBA Deutschland-Schweiz das Quel- lenlandprinzip, das heißt, in der Schweiz werden auf den Arbeitslohn Lohnsteuern fällig. Im Wohnsitzstaat Deutschland wird für diese Einkünfte aus Arbeitslohn die Freistellungsmethode angewandt. Der Wohnsitzstaat besteuert nicht noch einmal die Einkünfte, die bereits im Quellenstaat besteuert wurden.

In Bezug auf den Arbeitslohn gilt jedoch keine uneingeschränkte Steuerbefreiung, sondern nur eine Befreiung mit Progressionsvorbehalt. Diese Einkünfte bleiben in Deutschland steuerfrei, werden jedoch bei der Ermittlung des auf die übrigen Einkünfte des Steuerpflichtigen anwendbaren Steuersatzes einbezogen (ähnlich wie bei Arbeitslosengeld, Krankengeld und anderen Lohnersatzleistungen).

Wenn die Arbeitnehmer keine Einkünfte in Deutschland haben, ist dies unschädlich. Haben sie oder bei Zusammenveranlagung die Ehepartner weitere Einkünfte, erhöht sich der Steuersatz und die inländischen Einkünfte werden höher besteuert, als es eigentlich nach dem Steuertarif der Fall wäre.

Beispiel: Deutsche Rentner mit Wohnsitz auf Mallorca

Grundlage ist das deutsch-spanische Doppelbesteuerungsabkommen. Es gilt das Wohnsitzlandprinzip. Danach werden Zahlungen aus der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung an in Spanien ansässige Personen grundsätzlich nur in Spanien besteuert. Die aus Deutschland stammenden Renten dürfen trotz der bestehenden beschränkten Steuerpflicht in Deutschland nicht besteuert werden.

Abweichend hiervon ist bei Personen, die ab 1. Januar 2015 erstmalig eine Rentenzahlung aus der deutschen gesetzlichen Sozialversicherung erhalten, eine eingeschränkte deutsche Besteuerung dieser Renten möglich. Es gilt dann das Anrechnungsprinzip: Spanien ist verpflichtet, die auf die Rentenzahlung geleisteten deutschen Steuern auf die spanische Einkommensteuer anzurechnen.

Zuständig für Rentner im Ausland (RiA) ist das Finanzamt in Neubrandenburg (RiA) - siehe www.finanzamt-rente-im-ausland.de/de/. Es besteht aber auch das Wahlrecht, dass diese Rentenzahlungen in Spanien besteuert werden.

In dieser Art und Weise müssen also alle Einkünfte untersucht werden, welches Prinzip - Wohnsitzland oder Quellenland - anzuwenden ist und wie dann der andere Vertragsstaat diese Einkünfte steuerlich zu behandeln hat: also Freistellungsmethode oder Anrechnungsmethode.

Erschwert wird dies durch die Tatsache, dass das deutsche Einkommensteuerrecht die Einkünfte in sieben Einkunftsarten unterteilt, die DBA-Abkommen jedoch in über 15 Einkunftsarten mit jeweils spezifischen Regelungen. Es gibt also erhebliche Abgrenzungsprobleme. Bei Anwendung des Quellenlandprinzips muss auch nachgewiesen werden, dass es tatsächlich zu einer Besteuerung gekommen ist.

Nach Auffassung der deutschen Finanzverwaltung fällt das Besteuerungsrecht an Deutschland zurück, wenn es im Quellenstaat nicht zu einer tatsächlichen Besteuerung gekommen ist. Damit sollen sogenannte »weiße Einkünfte« oder eine doppelte Nichtbesteuerung vermieden werden.

Ohne eine fundierte steuerliche Beratung - bei Arbeitnehmern und Rentnern auch durch Lohnsteuerhilfevereine - dürfte der Laie kaum Chancen haben, diese Materie zu durchschauen. Und dann heißt es tatsächlich »Wie gewonnen, so zerronnen! Steuern fallen doppelt zur Last.«

Der Autor ist Leiter einer Beratungsstelle in Berlin des Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e.V., Sitz Gladbeck.

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