Trump taumelt – die Partei tobt

Video mit sexistischen und frauenverachtenden Äußerungen könnte das Ende des republikanischen Kandidaten bedeuten

  • Reiner Oschmann
  • Lesedauer: 3 Min.

Knapp 30 Tage vor dem Wahltag in den USA veröffentlichte die »Washington Post« ein Video von 2005, in dem sich Donald Trump vulgär mit seiner Lust an sexuellen Übergriffen auf wildfremde Frauen brüstet. Der politisch-mediale Aufschrei seitdem ist ebenso enorm wie kalkuliert, Tenor: Dieser Tropfen dürfte für den Krawallkandidaten der Republikaner ein Tropfen zu viel gewesen sein.

John McCain, Präsidentschaftskandidat der Republikaner 2008 gegen Barack Obama, entzog als Prominentester seiner Partei Trump jede Unterstützung. Im Lichte von »Grapsch-Gate« erklärte der Senator aus Arizona, es sei ihm unmöglich, Trump »auch nur bedingt zu unterstützen«. »Cindy und ich werden nicht für Donald Trump stimmen«, so McCain in einem Statement, das seine Frau einschloss. »Ich habe noch nie für einen Präsidentschaftskandidaten der Demokraten gestimmt, und wir werden auch Hillary Clinton nicht wählen. Wir werden den Namen eines konservativen Republikaners, qualifiziert für das Präsidentenamt, auf den Wahlzettel setzen.«

Zu den Republikanern, die sich ebenfalls absetzten, gehörten die Kandidaten für den Bundessenat Kelly Ayotte (New Hampshire), Rob Portman (Ohio) und Joe Heck (Nevada). Mehrere forderten Trump auf, seine Kandidatur zurückzugeben und seinen Vizepräsidentschaftsanwärter Mike Pence, Gouverneur von Indiana, kandidieren zu lassen. John Tune aus South Dakota, rangdritter Republikaner im Senat, gehört zu dieser Gruppe. Pence äußerte in seiner Erklärung, er und seine Frau seien höchst unangenehm berührt von Trumps Widerwärtigkeit und Wortwahl gegenüber Frauen, doch da dieser Reue bekundet habe, werde er Trump weiter unterstützen.

Sprecher der Demokraten beeilten sich, alle Distanzierungserklärungen republikanischer Parteigänger als politisch durchsichtig zurückzuweisen. Diejenigen, die Trump nun fallen ließen, hätten ihm zuvor stets Treue gehalten, als er viel schlimmere Fehltritte begangen habe: Bürger Mexikos und Muslime diffamiert, amerikanische Kriegsveteranen und Schwerbehinderte verunglimpft und immer wieder Frauen mit Freiwild-Kommentaren überzogen.

Kurz nach McCains Erklärung zeigte sich Trump in New York vor rund hundert jubelnden Anhängern. Sie hatten sich vor dem Trump Tower in Manhattan eingefunden und gerufen »Trump for President« sowie »USA! USA!«. Er reckte die Faust, sagte aber kein Wort und verschwand. Später bekräftigte er, den Kampf ums Weiße Haus auf jeden Fall fortzuführen. Mit Blick auf das TV-Duell in St. Louis (Missouri), wo die Hälfte der Fragen diesmal dem Publikum vorbehalten blieb, wurde eine Schlammschlacht seitens des in die Defensive geratenen Trump erwartet.

Unterdessen veröffentlichten US-Medien zunehmend nicht nur Rufe nach Trumps Rücktritt. Eingehend wiesen sie auch auf die juristischen und logistischen Schwierigkeiten hin, in so später Stunde die Pferde zu wechseln. Die »New York Times« erinnerte daran, solange Trump nicht von selbst gehe, schwer krank sei oder sterbe, würden »die Republikaner wahrscheinlich mit Trump weitermachen müssen«. Anwälte der Republikaner erörtern »Politico« zufolge dennoch, wie die Partei Trump loswerden und durch eine Alternative ersetzen könnte. Dies umso mehr, als sie damit rechnet, dass nach der jüngsten Wendung viele republikanische Wähler – und vor allem Wählerinnen – am 8. November zwar nicht Clinton wählen, jedoch zu Hause bleiben werden. Wie immer die Affäre endet: Im Finale stecken nicht nur ihr Kandidat Trump, sondern auch die Republikaner in einer schweren Krise. Viel deutet darauf hin, dass die bekannt gewordenen Ausfälle Trumps gegen Frauen die Wahl der ersten Präsidentin der USA besiegelt haben könnten – es sei denn, ähnliche Enthüllungen kommen in den nächsten Tagen auch zu Bill und Hillary Clinton. Die Wahrscheinlichkeit hierfür beträgt 100 Prozent.

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