Sächsische Justiz massiv in der Kritik

Politiker fordern nach Suizid Konsequenzen

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin. Der Fall des Dschaber al-Bakr hat ein parlamentarisches Nachspiel: Politiker aus dem Landtag forderten am Donnerstag eine schnelle und umfassende Aufklärung über die Fahndung nach dem Terrorverdächtigen, den Anti-Terror-Einsatz in Chemnitz, die Festnahme in Leipzig und die Selbsttötung des Syrers im Gefängnis.

Die oppositionellen Grünen im Landtag sprachen sich für den Rücktritt von Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) aus. Der Innenexperte der Grünen-Landtagsfraktion, Valentin Lippmann, bezeichnete die Geschehnisse als «handfestes Justizversagen». Und die rechtspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion, Katja Meier erklärte, Gemkow trage die volle Verantwortung. «Er sollte die Konsequenzen ziehen und zurücktreten.» Der sächsische LINKEN-Fraktionsvorsitzende Rico Gebhardt wies Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) die politische Verantwortung zu.

Sachsens stellvertretender Vize-Ministerpräsident und Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) machte eine falsche Einschätzung in der Justizvollzuganstalt für die Tat mitverantwortlich. «Der aktuell wohl brisanteste Gefangene der Bundesrepublik stand unter Verdacht, einen Sprengstoffanschlag zu planen und damit nicht nur sein eigenes, sondern das Leben vieler unschuldiger Menschen zu opfern», so der Wirtschaftsminister weiter. Schon damit habe sich die Frage nach möglicher Suizidgefahr des Gefangenen geklärt gehabt.

Auch der SPD-Politiker stellte sich damit gegen Justizminister Sebastian Gemkow (CDU). Dieser hatte unter Berufung auf die Einschätzung von Psychologen darauf hingewiesen, dass «keine akute Selbstmordgefahr» festgestellt worden sei und erklärt, man habe nach jetzigem Stand alles getan, um einen Suizid zu verhindern. Gemkow sagte, er übernehme «qua meines Amtes» die politische Verantwortung. Für einen Rücktritt gebe es aber keine Veranlassung.

Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) wies die «pauschale Kritik an der sächsischen Justiz» auch von Bundespolitikern entschieden zurück. «Es braucht eine genaue Analyse des Vorgangs, um dann daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen», erklärte er.

Auf Bundesebene sprach Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt von einem «erneuten Versagen» der sächsischen Justiz- und Sicherheitsbehörden. Man könne den Eindruck bekommen, es sei vorgegangen worden, als habe es sich um einen Taschendieb gehandelt. «Das muss Konsequenzen haben», fügte sie hinzu. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann nannte den Fall eine beispiellose Aneinanderreihung von Polizei- und Justizversagen. CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach sagte der Tageszeitung «Die Welt», im Falle al-Bakrs wäre eine ständige Sitzwache notwendig gewesen.

Der sächsische Bundestagsabgeordnete der LINKEN Michael Leutert aus Chemnitz unterstreicht, dass es sich ja «nicht um das das erste massive Versagen handle. Die Landesregierung »ist ein Sicherheitsrisiko, das Kabinett sollte zurücktreten«.

Nach allen Pannen, die bereits in diesem Fall passiert seien, sei der Suizid ein schwerer Rückschlag, sagte der ehemalige Bundesjustizminister Gerhard Baum (FDP). »Irgendetwas stimmt da nicht in Sachsen.« Agenturen/nd

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