Am Rande der Überlastung

Landrat Stephan Loge findet, es sei höchste Zeit den Verkehrsraum am BER zu ertüchtigen

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 5 Min.

Wenn Stephan Loge (SPD) sich ernsthaft Sorgen macht, dann hängt das seit Jahren zumeist mit dem Hauptstadtflughafen BER zusammen. Doch ausgerechnet die berühmte Pannenbaustelle scheint allmählich in die Gänge zu kommen. Erst Anfang des Monats konnte das zuständige Bauordnungsamt des Landkreises Dahme-Spreewald endlich den schwierigen 5. Nachtrag zur Baugenehmigung am BER abnicken. Der Landrat ist optimistisch genug, nunmehr die Fertigstellung des Airports - nach fünfeinhalbjähriger Verspätung - im nächsten Jahr für wahrscheinlich zu halten. Doch nun sieht er mit größten Bedenken ausgerechnet dem Tag entgegen, an dem der Flughafen Berlin Brandenburg »Willy Brandt« in Betrieb gehen wird.

Stephan Loge befürchtet, dass die vorhandene Verkehrsinfrastruktur nicht nur in Schönefeld und im unmittelbaren Flughafenumfeld den kommenden Anforderungen nicht gewachsen ist. Im August hatte er vor einem drohenden Verkehrskollaps gewarnt, wenn nicht bald etwas unternommen werde. Im Gespräch mit dem »nd« legte der Landrat nach. »Wenn der Flughafen BER in Betrieb geht - ganz gleich übrigens, ob nun im November 2017 oder wie manche fordern im März 2018 - dann rechne ich damit, dass es im Flughafenumfeld zu einer hohen Überlastung der Verkehrsinfrastruktur, ja zum Verkehrskollaps kommt.«

Die Auswirkungen des zunehmenden Passagieraufkommens am aktuellen »Flughafen Berlin-Schönefeld« aber auch der wachsenden Bevölkerung vor allem um Wildau und Schönefeld auf das umliegende Straßennetz seien schon jetzt, da am BER noch gebaut werde, beträchtlich. Selbst das »normale Leben« sorge bereits heute für volle Straßen. Viele Landes- und Kreisstraßen seien überlastet und müssten dringend ausgebaut werden. Wenn der BER ans Netz gehe, dann bleibe auch der bisherige Flughafen in Schönefeld (SXF) als Billigflieger-Terminal voll in Betrieb. Bei Schließung des Flughafens Tegel hätten beide Terminalstandorte - BER und SXF - insgesamt rund 30 Millionen Passagiere pro Jahr abzufertigen, erinnerte der Landrat.

Dazu kämen nach Schätzung seiner Kreisverwaltung sofort 20 000 Arbeitskräfte am neuen Standort, die täglich zwischen Wohn- und Arbeitsort pendeln müssten. Eine Zahl, die sich in absehbarer Zeit verdoppeln könnte, wie Sprecherin Heidrun Schaaf anmerkte. All diese Menschen müssten über das bestehende Netz von Straßen (insbesondere B 96), Autobahn (A 113) und Schiene (Regional- und Fernverkehr sowie S-Bahn) befördert werden. Erst kürzlich hatte ein in Berlin verbreitetes Gutachten auf die latente Überlastung der innerstädtischen Autobahn A 100 beziehungsweise der A 113 aufmerksam gemacht. Es handelt sich dabei um die direkte und theoretisch schnellste Straßenverbindung zwischen dem BER und Berlins City.

Nach Einschätzung von Stephan Loge kann nur ein großräumiges Verkehrskonzept die sich bereits heute abzeichnenden Probleme im Flughafenumfeld nachhaltig lösen. Dies umso mehr, da der Flughafen BER schon mit seiner Eröffnung an seine Kapazitätsgrenzen stoßen werde und daher das bisherige Terminal von »Schönefeld-Alt« für die sogenannten Billigflieger weiterbetrieben werde. Die fortlaufende bauliche Erweiterung des Flughafens sei daher unerlässlich - durch den Bau von zwei Satellitengebäuden zur Passagierabfertigung und in Schönefeld-Alt durch die Erweiterung der Abfertigungskapazitäten für die »Low-Coster« sowie den geplanten Interimsbau für die Abfertigung von Staatsgästen. Der ursprünglich am SXF vorgesehene Regierungsflughafen soll ab 2023 an anderer Stelle auf dem Gelände neu gebaut werden. »Damit bricht aber das gesamte bisherige Infrastrukturkonzept auseinander«, sagte Loge.

Aus Sicht des Landrates müssten alle Akteure in die Erarbeitung dieses neuen Verkehrskonzeptes eingebunden werden. Neben dem Landkreis und der unmittelbar betroffenen Gemeinde Schönefeld sieht er vor allem die Flughafengesellschafter - die Länder Berlin und Brandenburg und der Bund - sowie die Deutsche Bahn in der Pflicht.

Das Land Brandenburg gibt sich nach außen hin bislang aber betont gelassen. Und das, obwohl nach Angaben des Landrates im Infrastrukturministerium längst der Entwurf eines Gemeinsamen Strukturentwicklungskonzeptes (GSK) vorliegt. Ministeriumssprecher Steffen Streu verwies »nd« darauf, dass das Straßennetz um den künftigen Großflughafen bei weitem noch nicht ausgelastet sei. Die B 96 sei sogar gerade erst aufwendig modernisiert worden. Wenn man in Rechnung stelle, dass der Berliner Flughafen Tegel jährlich ohne nennenswerte Störungen rund 20 Millionen Passagiere abfertige, die über eine einzige Straßenbrücke das Terminalgebäude erreichen, dann sei man in Schönefeld gut aufgestellt. Derzeit werteten Experten die Ergebnisse einer aktuellen Verkehrsraumstudie über die Verkehrskorridore in der Metropolenregion aus, auf deren Ergebnisse man noch im Laufe dieses Jahres zurückgreifen könne.

Erheblichen Handlungsbedarf sieht auch das Land aber laut Streu bei der weiteren Modernisierung der Eisenbahnstrecke zwischen Cottbus, Königs Wusterhausen uns Berlin. Das betreffe vor allem den zweigleisigen Ausbau der Strecke im Bereich des Bahnhofs Königs Wusterhausen.

Es handelt sich dabei, wie auch der Landrat betonte, um einen Engpass, der nicht nur den täglichen Pendlerverkehr zwischen der Lausitz und Berlin beeinträchtige, sondern vor allem auch im Zusammenhang mit der Anbindung des Flughafenstandort nicht mehr hinnehmbar sei.

Die Kreisverwaltung hat im August in einem Positionspapier Schritte zur Verkehrsentwicklung im Zusammenhang mit dem BER skizziert. Darin wurden die Eckpunkte eines »großräumigen Verkehrskonzeptes unter Berücksichtigung aller Verkehrsarten und Verkehrsmittel zur Ableitung von entsprechenden konkreten Einzelmaßnahmen« formuliert. Landrat Loge wies auf den besonderen Wert hin, der darin dem Ausbau der Schienenanbindung beider Terminalstandorte in Schönefeld beigemessen werde. Gefordert wird an erster Stelle der Erhalt, die Ertüchtigung und Aufwertung des bisherigen Bahnhofs nicht nur als S-Bahnstation. »Der große Flughafen BER verträgt, wie andere Airports in Deutschland auch, durchaus zwei Bahnhöfe«, sagte Loge. Überaus wichtig sei auch der Bau des 2. Gleises in Königs Wusterhausen, um die Erreichbarkeit des BER aus Süden auf angemessenem Niveau abzusichern.

Machbarkeitsstudien sollen die Verlängerung der U-Bahnlinie U 7 bis Schönefeld und die Verlängerung der S-Bahn nach Osten samt Anschluss an die Strecke nach Grünau/Königs Wusterhausen prüfen. Und es werden detailliert Projekte zur Aufwertung des Straßen- und Autobahnnetzes benannt - und die sich daraus ableitende Aufgabenverteilung zwischen Bund, Ländern, Landkreis und Kommunen definiert.

Anfang November soll es nun doch einen »Infrastruktur-Gipfel« aller wichtigen Akteure am BER geben. Das immerhin berichtete die Lokalpresse dieser Tage aus dem Kreistag von Dahme-Spreewald.

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