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Albtraum Aleppo

Irritationen um die Korridore aus der Kampfzone der belagerten syrischen Stadt

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 3 Min.

Bis Redaktionsschluss war unklar, ob und, wenn ja, wie viele Menschen die Kampfzone in Aleppo verlassen konnten. Bereits am Mittwoch waren verschiedenen Quellen zufolge 150 Kämpfer der Al-Qaida-nahen Gruppe Ahrar as-Sham mit Einwilligung der syrischen Armee abgezogen. Am Donnerstagmorgen hatte das russische Militär erklärt, die Waffenpause von acht auf elf Stunden zu verlängern. Man komme damit Wünschen westlicher Staaten und Hilfsorganisationen entgegen.

Kurz nach acht Uhr waren Korrespondentenberichten zufolge acht Rettungswagen in den Osten Aleppos gefahren, um Verletzte und Kranke zu evakuieren. Wenig später wurde von Schüssen, Maschinengewehrfeuer und Raketeneinschlag im Zentrum der Altstadt berichtet. Möglicherweise sollten Menschen daran gehindert werden, den Korridor bei Bustan al-Kasr zu überqueren. Am Mittag meldeten Korrespondenten, dass die Kampfgruppen offenbar die Zufahrtswege zu Kontrollpunkten, über die die Menschen den Osten Aleppos verlassen konnten, mit schweren Waffen blockiert hatten.

Aus Kreisen der in Istanbul ansässigen »Syrischen Nationalen Koalition für revolutionäre und oppositionelle Kräfte« war das russisch-syrische Angebot sowohl an Zivilisten als auch an Kombattanten, die Kampfzone von Ost-Aleppo zu verlassen, zurückgewiesen worden.

Mohammed Jojah, Mitglied des Politkomitees der Koalition, warf der syrischen Regierung vor, eine »massenhafte Umsiedlung der Bevölkerung erzwingen« zu wollen. Das sei ein »Kriegsverbrechen«, so Jojah. Das »Assad-Regime« werde dabei von Russland und Iran unterstützt. Michel Kilo, ebenfalls Mitglied im Politischen Komitee der Nationalen Koalition, bezeichnete das Angebot als »Trick«. Absicht sei, den Widerstand »der Rebellen und der Freien Syrischen Armee zu brechen« und »die Revolution zu vernichten«.

Auch die von Deutschland bisher mit sieben Millionen Euro unterstützten »Weißhelme« erklärten, niemand verlasse den Ostteil der Stadt. »Es gibt keine Wege aus der Stadt, sie ist vollständig umzingelt«, erklärte Abdulrahman Almawwas, Vizepräsident der Gruppe dem US-Sender CNN in Paris, wo Präsident François Hollande am Mittwoch eine Delegation der »Weißhelme« empfangen hatte. Auf die acht geöffneten Korridore ging Almawwas nicht ein. Am Mittwoch hatten in Genf Vertreter der USA, Russlands und anderer Staaten, die in den Krieg in Syrien involviert sind, über die Entflechtung von »moderaten Rebellen« und Kämpfern beraten, die von den Vereinten Nationen als »Terrorgruppen« gelistet sind. Das betrifft vor allem die Jabhat al Fatah al-Sham (bisher Nusra-Front) und deren Verbündeten. Diesem Ziel dient auch die »humanitäre Pause«, wie der russische Präsident Wladimir Putin in Berlin erklärt hatte. Wenn das gelinge, könne man die Waffenruhe verlängern.

Der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Staffan de Mistura, hatte die »humanitäre Pause« begrüßt. Der schwedischen Zeitung »Svenska Dagbladet« sagte er: »Wichtige Länder wie Saudi-Arabien, Türkei und Katar, die Einfluss auf die großen Rebellengruppen haben, können diesen Gruppen vorschlagen, die Kämpfer der Nusra-Front aufzufordern, nach Idlib zu gehen.« Damit sei jeder Vorwand genommen, den Osten von Aleppo weiter zu bombardieren.

In Berlin traf am Donnerstag Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier mit Mohammed Bin Abdulrahman Al-Thani zusammen, dem Außenminister von Katar. »Geschäftsleute und islamische Hilfsvereine aus Katar«, wie es allgemein heißt, gehören mit Saudi-Arabien und der Türkei zu den finanzkräftigsten Sponsoren der Kampfgruppen in Syrien. Von der US-Militärbasis Al Udeid südlich der katarischen Hauptstadt Doha werden die Flüge der »Anti-IS-Allianz« gesteuert. Bis zu acht deutsche Offiziere sind dort im Einsatz.

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