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Machterhalt als Parteiprogramm

Wer in der CSU nach inhaltlichen Flügelkämpfen Ausschau hält, tut sich schwer

  • Rudolf Stumberger, München
  • Lesedauer: 3 Min.

Es sind solche Ereignisse wie jüngst der Vorschlag von CSU-Chef Horst Seehofer, das Amt des Ministerpräsidenten und des Parteivorsitzenden zu trennen, die das Karussell der medialen Kaffeesatzleser antreiben. Dann werden sie wieder ausgeleuchtet und analysiert, die möglichen Winkelzüge und Volten, die heimlichen Schulterschlüsse und angedeuteten Koalitionen. Sie laufen regelmäßig auf die Frage hinaus: Wird Finanz- und Heimatminister Markus Söder jetzt der Nachfolger von Seehofer oder doch nicht? »Seehofer erhöht Druck auf Söder«, lauten dann die Schlagzeilen, oder »Machtkampf in Bayern«.

Aber warum nur? Sicher, es geht um einen Machtkampf in Bayern. Seit 50 Jahren. So lange herrscht die CSU im Freistaat und um diese Macht kämpft sie immer wieder. Ob der Spitzenmann dabei Seehofer oder Söder oder sonst wie heißt, ist im Grunde aber ziemlich egal.

Zum Beispiel Söder. Was die politischen Kommentatoren bei all ihren Schachbrettanalysen vermissen lassen, ist einfach die entscheidende Frage. Wofür steht Söder eigentlich? Hat er ein anderes politisches Konzept als Seehofer? Oder als Wirtschaftsministerin Ilse Aigner, die auch schon zu den Seehofer-Nachfolgern gezählt wurde, jetzt aber bei den Kommentatoren eher in Ungnade gefallen ist.

Die Wahrheit ist: Natürlich gibt es in der CSU Personalgerangel um Posten und Pöstchen, aber darüber hinaus sind innerparteilich kaum wirkliche Flügelkämpfe um Inhalte zu erkennen. Denn der einzig relevante politische Inhalt ist der Machterhalt der Partei und dafür werden die Inhalte je nach Lage angepasst. Klar, es gibt ein paar Querulanten wie Peter Gauweiler, der aber längst keine Rolle mehr spielt.

Wer die CSU und ihr Wirken verstehen will, geht nicht fehl, sich die innerparteilichen Machtstrukturen näher anzusehen. Da ist zunächst der regionale Proporz. Klar ist, dass unter den »sieben bayerischen Stämmen« zuvorderst die Oberbayern das Sagen haben. Oberbayern ist das Stammland der CSU und hier sitzen auch die Machtzentren. Demgegenüber sind es vor allem die Franken, die sich behaupten wollen, die Landtagspräsidentin Barbara Stamm zum Beispiel steht für diese Position. Auch Niederbayern ist in den oberen Parteirängen gut vertreten.

Als Herzkammer der CSU gilt seit eh und je die Landtagsfraktion, Vorsitzender ist derzeit Thomas Kreuzer, ein Schwabe. Jahrzehntelang wurde das Amt von dem Oberbayern Alois Glück eingenommen, der als Strippenzieher hinter den Kulissen galt. Der Landtag ist fest in der Hand der Partei und das gilt auch für die Bayerische Staatskanzlei mit dem Kabinett. Die CSU kann sich so nicht nur auf die Ministerialbürokratie stützen, sondern aufgrund ihrer Hegemonie überhaupt auf fast den gesamten Staatsapparat, von den Bezirksregierungen bis zu den Landratsämtern. Nur die größeren bayerischen Städte waren und sind in diesem Meer der schwarzen Mehrheiten politische Ausreißer.

Zu den Machtzentren der CSU gehört auch die Landesgruppe in Berlin, freilich mit spezieller Rolle. Denn während man in München schon immer das Anti-Preußen-Spiel betrieb und betreibt, egal ob die CSU gerade mit in der Bundesregierung ist oder nicht, muss die Landesgruppe dem Koalitionspartner gegenüber für bayerische Verhältnisse zivilisiert auftreten. Wo in München laut gepoltert wird, wird in Berlin milde formuliert. So machte Gerda Hasselfeldt, die Landesgruppenchefin, zum Beispiel die massive Merkel-Schelte ihres Parteivorsitzenden nicht mit.

Und da ist dann noch natürlich die große Nähe der CSU zur heimischen Wirtschaft, ein gegenseitiges Durchdringen, wozu auch die mehr als 20 bayerischen Auslandsrepräsentanzen gehören. Gepflegt wird diese Durchdringung auch schon mal in exklusiven und kaum bekannten parteinahen Clubs wie etwa dem Peutinger-Collegium. Diese Männer-Vereinigung lädt unter dem Jahr hohe Funktionsträger aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Adel zu Vorträgen ein.

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