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Wer mobbt, der geht - ohne Diskussion

Polizeigewerkschafterin Elke Gündner-Ede über Männerstrukturen, das Gewissen und Frauen in Polizeiuniform

  • Jörg Meyer
  • Lesedauer: 9 Min.

Sie sind 1980, vier Jahre nachdem Sie bei der Polizei angefangen haben, Mitglied der GdP geworden. Warum nicht früher?
Als tarifbeschäftigte Frau in der Polizei, einer Männer- und Beamtendomäne, hatte frau das Doppelminus auf der Stirn. Ich muss ganz ehrlich sagen: Ich wusste nicht, dass es eine Gewerkschaft der Polizei überhaupt gibt. Das hat sich zu den Personalratswahlen 1980 verändert, weil in meinem Bereich der örtliche Personalrat erstmals eine Angestellte zur Wahl aufstellen konnte. Das wurde uns Frauen durch den Kreisgruppenvorsitzenden der GdP mitgeteilt. Er hat einen Fehler gemacht: Er hat uns verlassen, damit wir darüber diskutieren, hatte aber vorher gesagt: »Die Beamten haben Sie bisher vertreten, die machen das ganz gut, die können das doch dann weitermachen.«

Das war Ihre Entscheidung zu kandidieren?
Ich war ja noch relativ frisch. Die alteingesessenen Kolleginnen waren richtig tolle Frauen. Zu denen habe ich gesagt: »Wenn wir einen Platz besetzen können, warum machen wir das nicht?« Als Antwort kam: »Dann müssen Sie das aber machen.« So bin ich zum örtlichen Personalrat gekommen, und damit wurde ich gefragt, ob ich in die Gewerkschaft eintreten will. Ich habe sofort Ja gesagt. Wo soll man sonst den Background herbekommen, um die Arbeit als Personalvertreterin machen zu können?

Zur Person

Elke Gündner-Ede hat 1976 im Alter von 20 Jahren bei der Polizei als Tarifbeschäftigte angefangen zu arbeiten. Seit 1980 ist sie Mitglied in Personalvertretungen und seit 1992 freigestellte Personalrätin – heute als Vizevorsitzende des für die Polizei zuständigen Personalrats im niedersächsischen Innenministerium. Im Raum Göttingen aufgewachsen, hat die 59-jährige viel erlebt – politisch, beruflich wie privat. Nicht erst als Vorstandsmitglied der DGB-Polizeigewerkschaft GdP sind ihr die Probleme der Kolleginnen in der Behörde ein Anliegen geworden.

Auf was für Strukturen sind Sie in der Gewerkschaft gestoßen?
Da kann ich nur von meinem Bereich in Göttingen reden. Vor Ort war ich die erste Frau in der Kreisgruppe und Frauenvertreterin. Da wurde ich natürlich auch in den regionalen DGB geschickt, wo es einen Frauenausschuss gab. Wegen des Uniformverbots für Frauen gab es auch noch keine Frauen in der Schutzpolizei, nur einige wenige bei der Kriminalpolizei. Die haben zivil getragen und waren für bestimmte Bereiche zuständig, beispielsweise Straftaten an Minderjährigen. Von daher waren es rein männliche Strukturen.

Wie war das für Sie?
Vom Klima her was das schon angenehm. Nur wenn man Positionen haben wollte, wurde es schwierig, dann hat man plötzlich den Männern etwas weggenommen, und das fanden sie nicht so gut.

Was heißt »angenehmes Klima«?
Die ersten zwei, drei Jahre hat man mir überall mal die Türen aufgehalten, also diese Freundlichkeit jungen Frauen gegenüber.

Alte Schule …
Genau. Das war irritierend, aber nicht unangenehm. Ich wollte ja eigentlich nicht zur Polizei, sondern bin da eher zufällig hineingeraten. Von Hause aus bin ich Fremdsprachenkorrespondentin. In Göttingen gab es aber nur wenig Industrie, und ich hatte keine Chance, irgendwo anzufangen. Potenzielle Arbeitgeber haben gesagt: Sie sind überqualifiziert, sie gehen ja gleich wieder. Beim Arbeitsamt wurde mir gesagt, dass es eine Krankheitsvertretung bei der Polizei gebe und ob ich reinschnuppern wolle. So bin ich bei den grünen und heute wieder blauen Jungs hängengeblieben.

Sie waren dann später auch für die Beamtinnen zuständig.
Ich bin in den Personalrat gewählt worden für den Bereich der Tarifbeschäftigten, das waren fast alles Frauen. Als nach ihrer Ausbildung zum Polizeidienst die ersten Frauen in Uniform in die Dienststellen kamen, hat man mich gebeten, mich auch um diese Frauen zu kümmern - ob nun Tarifangestellte oder Beamtin. Das war ganz wichtig. Für Frauen in der Schutzpolizei war nichts vorbereitet.

Zum Beispiel?
Das fing mit ganz einfachen Dingen an. Es gab keine Toiletten für die Damen und ging weiter mit der Bekleidung, die nur Männerschnitte hatte. Frauen hatten anfangs große Schwierigkeiten, sich einzupassen. Viele Männer wollten damals keine Frauen im Streifendienst.

Warum das denn?
Wenn sie im Funkstreifenwagen gemeinsam nachts durch die Gegend fahren, haben dann die Frauen unserer Kollegen Probleme gesehen. Das hat sich teilweise übertragen. Es menschelte damals ganz viel. Oder die Kollegen hatten Angst, wenn sie mit einer Frau im Streifenwagen unterwegs waren, in Gewaltsituationen nicht genug geschützt zu sein. Bei ihren männlichen Kollegen wussten sie genau, worauf sie sich verlassen konnten, aber die schwache Frau? Die kommunikativen Fähigkeiten, die viele Frauen haben und vielleicht auch deeskalierend wirken können, wurden damals nicht akzeptiert.

Sie hatten diese Probleme nicht?
Ich musste ja nicht erst die Strukturen durchdringen, wie die Kolleginnen in Uniform, weil ich mich von Beginn an um den Bereich Frauen gekümmert hatte.

Neben dem Arbeitsverbot auf Baustellen, das 1994 fiel, war das Uniformverbot für Frauen die letzte gesetzlich geregelte Männerbastion. In Niedersachsen wurde das 1980 gekippt, in Hamburg kurz davor, in Bayern erst 1990, nach dem Tod von Franz-Josef-Strauß. Was hat die Zeit der großen sozialen Bewegungen Westdeutschlands damit zu tun?
Sicherlich hat die Veränderung in der Politik und in der Sichtweise, wie man Frauen und Männer dort beurteilt hat, auch dazu geführt. Aber es war auch schlicht und ergreifend ein Nachwuchs- und Personalproblem.

Hatten Sie sich vorher schon mit Feminismus oder geschlechterpolitischen Themen auseinandergesetzt?
Das begann mit dem Gang in den Arbeitsmarkt. Aber von meiner Vita her ist einiges vorher passiert, ohne dass ich mir das bewusst gemacht habe.

Was heißt das?
Meine Mutter war ledig. Im Nachhinein muss ich sagen, habe ich sie sehr bewundert. Ich bin 1956 als einziges Kind auf dem Dorf in Niedersachsen geboren. Meine Mutter hat mir viele Dinge vorgelebt, die für mich selbstverständlich wurden. Sie hat Vollzeit gearbeitet. Von daher habe ich sehr früh Verantwortung übernehmen müssen. Das spielt eine Rolle.

Die 1980er Jahre in Göttingen waren eine sehr von links bewegte Zeit. Kommunistischer Bund, HausbesetzerInnen, Frauenbewegung, Antifa ... Haben Sie jemals gedacht: Eigentlich würde ich jetzt viel lieber auf die Frauendemo am 8. März gehen, als mich als Personalrätin mit diesen Typen herumzuschlagen?
Ja klar. In der Zeit hat der eine oder andere Mann bestimmt gedacht: »Das ist alles hier nicht mehr fair für mich.« Sicher habe ich mir von Zeit zu Zeit gesagt: Ich kann das Gejammere nicht mehr hören. Es hat auch Anlässe gegeben, bei denen ich richtig überlegt habe. Beispielsweise bei den Demonstrationen zum NATO-Doppelbeschluss. Da ist mein damaliger Freund und heute Ex-Mann hingefahren und ich nicht. Da habe ich mich gefragt, ob ich auf dem richtigen Weg bin, weil meine politische Einstellung eine andere war, aber ich hatte einfach beruflich dazubleiben und die Situation in Göttingen mit zu bewältigen. Das ist hart. Da habe ich mich schlecht gefühlt, weil ich eigentlich gewohnt war, meine Meinung auch ausdrücken zu können. Von daher kann ich auch verstehen wie es in viele Kolleginnen und Kollegen ausgesehen hat, die nicht für Atomkraft waren, aber den Castor-Zug in Gorleben schützen mussten.

Eines Ihrer Hobbys sind Biografien von starken Frauen.
Mir ist die Biografie von Marion Dönhoff, geschrieben von Alice Schwarzer, in die Hände gefallen, die fand ich sehr interessant. Davon wollte ich mehr lesen. Ich mag eher Biografien als Autobiografien. Die meisten Bücher, die ich gelesen habe, sind über Frauen, die in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts geboren wurden. Meine Mutter, 1933 geboren, gehörte ja auch dazu.

Was macht eine starke Frau aus?
Eine Frau, die sich nicht unterdrücken lässt, die Grenzen überspringt, die sagt, was sie denkt und dafür eintritt. Ich fand die Biografie Nina Schenck von Stauffenberg faszinierend, die Beschreibung wie sie, nachdem ihr Mann erschossen wurde, gelebt hat und was sie getan hat.

Bei der Recherche zur Vorbereitung dieses Gespräches habe ich festgestellt, dass man die Kombination »Polizei« und »Sexismus« viel öfter in Suchmaschinen findet als »Polizei« und »Feminismus«. Warum?
Wir sind ein Spiegelbild der Gesellschaft und Männer und Frauen arbeiten zusammen. Die Situation, dass man Tag und Nacht zusammen ist, ist eine andere als in anderen Branchen. Wir haben in der Vergangenheit schlimme Fälle gehabt, wenn ich an München denke ...

... da hat sich eine junge Beamtin 1999 wegen wiederholter sexueller Belästigung durch einen Vorgesetzten das Leben genommen.
Genau. Aber mittlerweile haben sich die Strukturen auch bei uns geändert. Als Bundesfrauengruppe würden wir derlei Verhalten heute mitbekommen. Aber wie viele Frauen öffnen sich, zeigen die Vorfälle auch an? Ich glaube schon, dass die Frauen, die heute in der Polizei anfangen, sehr selbstbewusst sind und Übergriffe auch melden würden.

Aber Nestbeschmutzung bedeutet meist das Karriereaus für Frauen.
Ganz im Gegenteil. Wir haben, ich spreche da von Niedersachsen, auch weibliche Führungskräfte, so dass ein anderes Verhältnis entsteht und man sich nicht unbedingt einem Mann öffnen muss. Von daher glaube ich, dass die Hemmung bei Frauen, Vorfälle anzuzeigen, gesunken ist.

Wie reagieren Sie, wenn Sie von Übergriffen und Mobbing erfahren?
Ich finde es wichtig, nicht aus dem Bauch heraus Partei zu ergreifen. Ich muss mir ein eigenes Bild von der Situation machen und dann agieren - in der Reihenfolge. Als Personalvertreterin habe ich auch gar keine andere Chance. Die Sensibilität, gerade was Mobbing betrifft, die ist in der Polizei auf dienstlicher Seite mittlerweile sehr hoch. Es muss eine Reaktion erfolgen.

Das heißt?
Ansprache und wenn geboten: Disziplinar- oder Strafverfahren. Wer mobbt, der geht. Und zwar ohne Diskussion. Früher war das umgekehrt. Da ist oft das Opfer rausgenommen worden, nach dem Motto: Wir müssen die schützen. Heute heißt es: Der Täter oder die Täterin geht.

Letzte Frage: Was sind für Sie die größten offenen Baustellen?
Eine ist sicherlich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, eine andere, die damit zusammenhängt, die Frage nach Teilzeit und Einkommensungleichheit. Wir haben eine Studie zusammen mit der Hans-Böckler-Stiftung durchgeführt. Es ging um Beurteilungen bei der Polizei, die letztlich ja beförderungsentscheidend sind. Da geht es um Eignung, Befähigung und Leistung. Frauen sind öfter in Teilzeit als Männer, und Teilzeit wird häufig schlechter beurteilt »Die Teilzeitfrau ist ja nicht da, die kann ich doch nicht gleich beurteilen«, das sind Sprüche. Da muss man noch eine ganze Menge tun und unsere Führungskräfte dazu bekommen, Teilzeit- und Vollzeitkräfte gleich zu beurteilen. In Niedersachsen gibt es dazu aus dem Innenministerium klare Aussagen. Nur wenn die Beurteilungsvorgesetzten das trotzdem nicht tun, dann tun sie es nicht. Das ist ein ganz großer Punkt, an dem Frauen nach wie vor ins Hintertreffen geraten.

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