Lobby fürchtet Bürgerbeteiligung

Verband der Wohnungsunternehmer sieht in Plänen der LINKEN und Grünen Neubaubremse

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

«Im Großen und Ganzen sind wir zufrieden mit der sozialdemokratischen Wohnungspolitik», sagt Maren Kern. Ein Satz, den man eher selten in der Hauptstadt hört. Er kommt von der Chefin des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), das die Interessen hauptsächlich von Genossenschaften und kommunale Wohnungsbaugesellschaften vertritt. «In den letzten zwei Jahren wurden unsere Forderungen eigentlich erfüllt. Etwas spät vielleicht, aber doch.» Sorgen machen ihr die Wahlversprechen von Grünen und LINKEN, wie mehr Bürgerbeteiligung. Darüber wird an diesem Freitag in den rot-rot-grünen Koalitionsgesprächen verhandelt.

«Wir verlieren die große Linie, wenn es eine immer kleinteiligere Bürgerbeteiligung gibt», sagt Kern. «Wenn der dringend benötigte Neubau schnell kommen soll, dürfen wir nicht über das Ob diskutieren, sondern nur über das Wie.». Bürgerinitiativen verträten nun mal Partikularinteressen. Das führe in der Folge zu «Ängsten in der Politik, die zu Fehlallokationen führen können».

Ein «vollkommen falsches Signal» nennt Kern in dem Zusammenhang die Nachricht, dass offenbar das Wohnbauprojekt auf der Pankower Elisabeth-Aue nicht weiter verfolgt werden soll. Mehrere Zeitungen hatten berichtet, dass sich die möglichen Koalitionäre nicht auf das Projekt mit 5000 geplanten Wohnungen einigen konnten. «Seit mehr als einem Jahr laufen die Vorbereitungen», so Kern. Wie soll dieser Ausfall kompensiert werden«, fragt sie. 6000 bis 10 000 neu errichtete Wohnungen pro Jahr sind die Zielmarke. »Das Mietrecht zu ändern, mildert den Druck auf den Markt nicht ansatzweise. Hier hilft nur Neubau.«

»Projekte auf der Grünen Wiese sind auch günstiger als zum Beispiel Dachgeschossausbauten«, sagt die Lobbyistin. Schließlich sei es erklärtes Ziel, das möglichst preisgünstig gebaut werden solle, um niedrige Mieten anbieten zu können. Pläne der Linkspartei, die Grenze für die sogenannte bezahlbare Miete von momentan 6,50 Euro auf 5,50 Euro abzusenken, bedrohen laut BBU die finanzielle Leistungsfähigkeit der Wohnungsbaugesellschaften.

Kern wünscht sich, dass der Blick beim Wohnungsmarkt nicht nur auf das Gebiet innerhalb des S-Bahnrings gelenkt wird, sondern auch darüber hinaus und sogar bis Brandenburg. »Eine Stunde Zugfahrt von Mitte aus gibt es im Umland 10 000 leerstehende Wohnungen allein bei unseren Mitgliedsunternehmen«, sagt Kern. Nicht alles außerhalb der City sei Verdrängung.

Der im Januar gegründeten Wohnraumversorgung Berlin (WVB), die sowohl Senat als auch die städtischen Wohnungsunternehmen beraten soll, sieht Kern mit einer gewissen Skepsis entgegen. »Ich würde dringend davor warnen, dass die städtischen Gesellschaften zu einem zusätzlichen Experimentierfeld werden«, so Kern. Auch eine immer detailliertere Mietermitbestimmung birgt ihrer Meinung nach Gefahren. »Man muss bei diesen Konstrukten aufpassen, dass Gesellschaften handlungsfähig bleiben.«

Das Allerwichtigste für die Mitgliedsunternehmen sei jedoch »Verlässlichkeit über eine Legislaturperiode hinaus«. Was bisher aus den Verhandlungen zur Wohnungspolitik gedrungen ist, lässt auf keinen radikalen Wechsel schließen. Die Lobbyisten reiben sich sicher die Hände.

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