»Wir können mit den Problemen fertig werden«

Kompendium zum Klimawandel in Deutschland beleuchtet Risiken und Gegenmittel / Konsequente Reduzierung von Treibhausgasen nötig

  • Steffen Schmidt
  • Lesedauer: 3 Min.

Darüber, ob ein Teil der Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, bereits als Klimaflüchtlinge anzusehen ist, sind sich auch Experten noch nicht einig. Dass in der absehbaren Zukunft die Deutschen nicht dazugehören dürften, das konnte man aus den Statements der Herausgeber des am vergangenen Freitag in Berlin vorgestellten Handbuchs »Klimawandel in Deutschland« entnehmen. Wilfried Kraus vom Bundesministerium für Bildung und Forschung fasste seinen Eindruck von dem auf 348 Seiten zusammengefassten Wissen über bisherige und aus den Modellen absehbare Folgen der Klimaerwärmung so zusammen: »Das Buch zeigt, dass wir vorbereitet sind und dass wir mit den Problemen fertig werden können.« In weniger wohlhabenden Ländern und in Regionen, die bereits jetzt Probleme mit Klimaextremen haben, sei das jedoch nicht so. Das Forschungsministerium unterstütze deshalb den Aufbau von Klimaforschungszentren in Afrika mit 100 Millionen Euro.

Mehr als 120 Wissenschaftler verschiedenster Fachrichtungen haben in einem nationalen Kompendium erstmals versucht, die globalen Aussagen des letzten Sachstandsberichts des Weltklimarats IPCC auf die regionalen Verhältnisse in Deutschland zu konkretisieren. Die Daten der Rückversicherer zeigen, dass es in der Zeitspanne zwischen 1970 und 2014 zu klimabedingten Schäden in Höhe von 91 Milliarden Euro kam. Und auch wenn es Dürreperioden und Hochwasser schon früher gab, müsse man sich darauf einstellen, dass Wetterextreme häufiger und heftiger werden. So haben sich die Hitzewellen im Sommer in Westeuropa seit 1880 verdreifacht.

Gleichzeitig stieg in Deutschland seit 1881 die durchschnittliche Temperatur mit 1,3 Grad stärker als im globalen Mittel. Da mit der Erwärmung auch bei gleichbleibendem Ausstoß von Schadstoffen sowohl das bodennahe Ozon als auch Stickoxide zunehmen, werden chronisch Kranke, Alte und Allergiker verstärkt belastet.

Simulationen mit Klimamodellen lassen eine noch stärkere Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts erwarten, wenn die gegenwärtigen, hohen Emissionen von Treibhausgasen anhalten.

Nicht nur die Temperaturen steigen, auch die Menge und zeitliche Verteilung der Niederschläge verändern sich. Es wird im Winter weniger Schnee aber insgesamt mehr Niederschläge geben, wogegen diese im Sommer weniger werden. Der Agrarwissenschaftler Harry Vereecken vom Forschungszentrum Jülich erwartet deshalb, dass auch in Deutschland die Landwirte künftig häufiger bewässern müssen. Während Dürreperioden so gut zu begegnen sei, zumal verstärkte winterliche Regenfälle aufgefüllt Grundwasservorräte erwarten lassen, könnte gegen Starkregen, Stürme und Hagelschlag nur wenig getan werden.

»Die zunehmende Hitzestressentwicklung in den Städten und die parallel verlaufende Alterung der Einwohner, verdeutlicht die Schwierigkeit von sich ergänzenden Risiken«, erläuterte einer der Leitautoren, der Städteplaner Jörn Birkmann von der Uni Stuttgart. Dabei seien Konflikte zwischen zusätzlichem Bedarf an Bauland und der Notwendigkeit von Freiräumen zu erwarten.

Mitherausgeberin Daniela Jacob, Leiterin des Climate Service Center Germany am Helmholtz-Zentrum Geesthacht, machte darauf aufmerksam, dass bei Weitem nicht nur Wasser- und Landwirtschaft vom Klimawandel betroffen sein werden. Auch Gesundheitswesen, Infrastruktur und viele andere Bereiche der Gesellschaft seien betroffen. Jacob hob bei der Vorstellung des Buches hervor, dass wir der Zukunft zwar nicht hoffnungslos gegenüberstünden, doch sei eine konsequente Dekarbonisierung unserer Wirtschaft nötig.

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