Aus Liebe zur Leber

  • Andreas Gläser
  • Lesedauer: 3 Min.

Montag, Schontag. Abstand nehmen vom Alkohol. Ich möchte in der kommenden Woche siebenmal 24 Stunden ohne auskommen, aus Liebe zur Leber. Meine letzte Wasserwoche legte ich vor einem Vierteljahrhundert ein, weil es immer einen Grund zum Trinken gibt. Das waren 1300 Wochenenden mit Unmengen an bitterem Trunk. Nun gibt es Kaffee und Milch, sowie Saft und Tee. Abwarten, wie mein Körper nach drei Tagen darauf reagiert, ob er meine Umwelt und mich mit unwillkürlichen Zuckungen schockt.

Dienstag. Wasser und Brot, alles paletti, tagsüber. Am Abend liefert das Fernsehen dreißig Gründe für eine halbe Flasche Wein. Ich habe keinen im Haus. Bestimmt übermorgen. Dann bin ich auch wieder nüchtern. Noch sind die unappetitlichen Szenen vom Freitag und Sonntag nicht vergessen.

Mittwoch. Was kein Alkohol so alles bewirkt. Ich werde eine halbe Stunde vor dem Radioweckergedudel wach und springe lebensfroh auf. In der Kaufhalle rege ich mich nicht über die vielen Fremdkörper auf, will ihnen keine Backpfeife geben. Fremdkörper, die in der Schlange vor und hinter mir stehen, aber nicht schnell genug diese Holzleiste zwischen ihre Waren und meine legen. Mein Adrenalinspiegel ist topp, ich lege schmunzelnd die Leisten zwischen die Waren des täglichen Bedarfs. Jemand lächelt zurück. Oh ha! Ich werde heute tanzen gehen.

Thursday Night, Discofever. Nur eine Club Mate verklebt mir die Innereien. Habe eine Freundin, spare schön mit ihr. Wir kommen früh um 3 nach Hause, um 7 gehe ich joggen. Bin wohl ein neuer Mensch, die Glückshormone hüpfen. Wohin führt der neue Frohsinn? Ich war früher schon nicht besonders traurig drauf, werde es wohl nie sein. Eventuell trügt der Schein. Es lockt kein Wein, auch kein Weib, denn meine Neue verlässt mich fröhlich. Das finde ich gut, weil ich entgegen meiner Erwartung keinerlei Gleichlaufschwankungen habe. Liegt auch an meiner guten Kinderstube. Ich habe es zwischen dem Babyjahr und der Pubertät ohne Alkohol ausgehalten. Heißt das, dass meine letzten anderthalb Jahrzehnte anstehen? 60 plus x sind kein biblisches Alter.

Sonnabend. Mein Aussehen verändert sich, das liegt nicht am Brennnesseltee, sondern am Fahrradhelm. Ich trage ihn selbstbewusst, meinen ersten und wohl überlegt gekauften Helm. Meine letzten Freunde lachen mich aus, aber ich werde an den Gräbern ihrer mit Alkohol durchtränkten Leichen stehen und mich bei ihren Angehörigen nach den nächsten Suffterminen erkundigen. Ja, diese Schluckspechte widern mich an.

Sonntag. Meine Neue will wissen, ob ich von meiner Kunst leben kann. Ja, aber nur einige Wochen im Jahr. Andererseits benötige ich kaum Geld, denn ich verplempere nichts mehr.

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