Rot-Rot-Grün verspricht Politikwechsel beim Bauen

Mietenvolksentscheid begrüßt »ambitioniertes Programm«, kündigt bei Nichtumsetzung jedoch erneutes Volksbegehren an.

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Mit dem Gesamtpaket ist der Politikwechsel in der Berliner Wohnungspolitik zwar noch nicht geschafft, aber eingeleitet«, schreibt die Initiative Mietenvolksentscheid in einer am Freitag veröffentlichten Einschätzung zum rot-rot-grünen Koalitionsvertrag. »Wenn sie entschlossen und mit Biss umgesetzt werden, werden auch wir sie nach Kräften unterstützten«, kündigen die Aktivisten an.

Tatsächlich wurden im Koalitionsvertrag beim Bauen und Wohnen einige dicke Bretter gebohrt. So sind künftig bei Neubauten von Privatinvestoren mindestens 30 Prozent der Wohnfläche mietpreisgebunden. Bisher waren es 25 Prozent der Wohnungen. »Das entspricht einer Verdopplung bis Verdreifachung der Fläche«, erklärt die designierte Bausenatorin Katrin Lompscher (LINKE) die deutliche Verbesserung. Denn bisher erfüllten Investoren die renditemindernde Pflicht vor allem mit kleinen Wohnungen. Ein Schritt, den auch Rouzbeh Taheri, Sprecher des Mietenvolksentscheids, als beachtenswerten Erfolg ansieht.

Und es gibt noch vieles Weitere, was der Initiative gut gefällt. Unter anderem das ernsthafte Bestreben, den rapiden Verlust von Sozialwohnungen zu stoppen. In großem Maße geschah das in den vergangenen Jahren durch die vorzeitige Ablösung von Darlehen. Bisher konnten die Eigentümer danach sogenannte Kostenmieten fordern, die meist zweistellige Eurobeträge pro Quadratmeter ausmachten. Künftig sollen maximal 5,75 Euro verlangt werden dürfen. Das macht eine Darlehensrückzahlung deutlich unattraktiver. Katrin Lompscher hofft, dass unter den neuen finanziellen Bedingungen die Eigentümerin Deutsche Wohnen ihre Bestände am Kottbusser Tor in Kreuzberg sowie im Falkenhagener Feld in Spandau doch noch verkauft, um dort selbstverwaltete Mietergenossenschaften gründen zu können.

Eines ist klar: Auch der geplante Neubau von bis zu 5000 Sozialwohnungen pro Jahr kann den Wegfall von bis zu 8000 Sozialbindungen jährlich nicht vollständig kompensieren. Völlig offen ist nach Ansicht der Initiative, »ob die geplanten 2000 Sozialwohnungen bei privaten Investoren durchsetzbar sind«.

Neu soll ab 2018 eine nach Einkommen gestaffelte soziale Richtsatzmiete für geförderte Wohnungen eingeführt werden, eine langjährige Forderung von Initiativen. Die konkrete Ausgestaltung sei allerdings noch völlig offen, der Gegensatz fundamental, so das Papier des Mietenvolksentscheids. »Die SPD will die Anbindung an den Mietspiegel des privaten Wohnungsmarkts, LINKE und Grüne wollen politisch festgesetzte Mietobergrenzen und damit ein bundesweit einmaliges Modell durchsetzen«, wird ein kommender Konfliktpunkt aufgezeigt.

Die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen sollen künftig sozialer orientiert agieren. Zur Finanzierung der jährlich geplanten 6000 Neubauwohnungen, die Hälfte davon im Sozialbereich, soll das Eigenkapital pro Jahr um 100 Millionen Euro aufgestockt werden. Künftig dürfen kommunale Unternehmen maximal sechs Prozent der Kosten energetischer Sanierungen auf die Mieten umlegen. Unter anderem der Pankower Mieterprotest entzündete sich an den hohen Umlagen für geplante Maßnahmen an Häusern der landeseigenen GESOBAU.

Eine wichtige Rolle bei der sozialeren Ausrichtung der Geschäftspolitik der kommunalen Unternehmen soll die bereits Anfang des Jahres gegründete Wohnraumversorgung Berlin als den Unternehmen übergeordnetes Steuerungs- und Kontrollinstrument spielen. Die Initiative Mietenvolksentscheid befürchtet einen »heftigen Widerstand« der Unternehmen selber, als auch von deren Lobbyverband BBU. Deren Chefin Maren Kern fordert denn auch »Pragmatismus und Praxisorientierung« bei der Ausgestaltung der Konzepte ein, sie will also keine Experimente.

Trotzdem gibt sich die Initiative vorsichtig positiv. Und kämpferisch: »Sollte vieles nur Papier bleiben oder im Sande verlaufen, kann ein Mietenvolksentscheid 2.0 weiterhelfen«, heißt es am Schluss der Analyse.

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