AWO-Vorstand nach Skandal ausgewechselt

»Perfides System« im Müritz-Kreisverband

  • Winfried Wagner, Waren
  • Lesedauer: 3 Min.

Der Müritz-Kreisverband der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Mecklenburg-Vorpommern hat nach dem im Sommer bekannt gewordenen Bereicherungsfall seinen Vorstand komplett ausgewechselt. »Wir werden als erstes die Satzung überarbeiten, damit solche Sachen künftig ausgeschlossen werden«, sagte die neue Vorsitzende Dagmar Kaselitz am Sonntag der dpa. Die 57-Jährige war SPD-Landtagsabgeordnete und soll zur Integrationsbeauftragten der Schweriner Landesregierung berufen werden.

Der Ex-Geschäftsführer des Kreisverbandes Peter Olijnyk und der frühere Kreisvorsitzende und einstige SPD-Bundestagsabgeordnete (1998-2005) Götz-Peter Lohmann hatten sich am Vorstand vorbei gegenseitig Verträge unterschrieben, die ihnen unverhältnismäßig hohe Zahlungen sicherten. Das ergab eine Prüfung des Landesverbandes.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Untreue-Verdachts gegen beide Männer. Zudem läuft am Landgericht Neubrandenburg ein Verfahren, bei dem der Ex-Geschäftsführer gegen seine Kündigung klagt und weiteres Geld will, aber die AWO auch von ihm mehrere hunderttausend Euro Schadenersatz fordert.

»Auch wenn man gute Arbeit leistet, darf man sich deshalb nicht persönliche Vorteile verschaffen«, erklärte Kaselitz. Das verurteile sie und habe das auch im Landtagswahlkampf erklärt. Jetzt sei es aber an der Zeit, dass die Arbeit im AWO-Kreisverband wieder ihren Weg gehen könne. Zunächst werde sich der neue Kreisvorstand mit dem alten ehrenamtlichen Kreisvorstand noch einmal treffen. »Der alte Vorstand hat von sich aus erklärt, dass er nicht entlastet werden will«. Man werde sich der Aufarbeitung des Falles stellen.

Die aus Penzlin (Kreis Mecklenburgische Seenplatte) stammende Kaselitz war am Freitagabend auf einer Sitzung ohne Gegenkandidaten zur neuen Vorsitzenden gewählt worden. Dazu kamen vier weitere Vorstandsmitglieder.

Der langjährige Kreisgeschäftsführer bekam ein Jahresgehalt von 150 000 Euro plus Tantiemen bis zu 50 000 Euro, die bei einem Sozialverband gar nicht zulässig seien, sowie Pensionsansprüche. Er war nach langem Streit im Juni gekündigt worden. Danach kamen die nach Ansicht des Landesverbandes illegalen Verträge ans Licht. Man sprach von einem »perfiden System« in Waren.

Alle AWO-Kreisverbände wurden daraufhin aufgefordert, ihre Verträge prüfen zu lassen, was auch geschah. Die Auswertung ergab laut AWO-Landesgeschäftsführer Bernd Tünker, dass es sich in Waren um einen Einzelfall handelt. In den anderen 14 Kreisverbänden sei es nicht zu solchen Praktiken gekommen.

Lohmann, der auch Vize-Landesvorsitzender der AWO war, hatte über fast zehn Jahre rund 700 000 Euro vom Kreisverband erhalten, ohne »signifikante Tätigkeiten nachzuweisen«, wie es ein Anwalt formulierte. In der Zeit war der heute 74-jährige Lohmann schon im Ruhestand. Er legte im Sommer alle Ämter nieder. Die AWO hat in der Region Waren rund 700 Mitarbeiter in Kindertagesstätten, Pflegeheimen und anderen Wohlfahrtsstätten. dpa/nd

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