Geflügelpest lässt Kreuzberger kalt

Eine Gefährdung für Menschen ist nicht bekannt, Katzen könnten sich aber infizieren

  • Nicolas Šustr und Gaston Latz
  • Lesedauer: 3 Min.

Am Landwehrkanal in Kreuzberg unweit der Baerwaldbrücke läuft der Alltag an diesem Montag wie gehabt. Menschen führen ihre Hunde aus oder genießen einfach den erstaunlich warmen und sonnigen Novembertag. Hier wurde am vergangenen Mittwoch von der Wasserschutzpolizei ein toter Schwan geborgen, am Freitag kam schließlich die Bestätigung, dass das verendete Tier der erste bestätigte Fall des Geflügelpest-Erregers H5N8 in Berlin war.

In einem Radius von drei Kilometern gilt nun für drei Wochen ein Sperrbezirk. Gehaltene Vögel und Bruteier dürfen nicht an andere Orte gebracht werden. Auch Hunde und Katzen sollen im Sperrbezirk vorsichtshalber nicht frei herumlaufen. »Ich weiß von nichts«, sagt eine ältere Dame. Ein junges Paar ist ebenso ahnungslos. Sie lassen sich auch nicht von einem rbb-Kamerateam verunsichern, das ebenfalls Stimmen einfangen will. Kein Schild weist auf die Anordnung hin.

Was ist zu beachten bei H5N8?
  • Das erste Mal wurde der Geflügelpest-Erreger H5N8 im Jahr 1983 in einem irischen Mastbetrieb nachgewiesen. Die aktuelle schwere Form des Virus wurde in Deutschland erstmals im November 2014 in Mecklenburg-Vorpommern festgestellt. Seit Anfang November 2016 werden in immer mehr europäischen Ländern infizierte Vögel gefunden.
  • Im Gegensatz zum Vogelgrippen-Erreger H5N1, der ziemlich genau vor einem Jahrzehnt weltweit für Aufregung sorgte, ist diesmal noch kein Fall bekannt, in dem Menschen infiziert worden sind. Allerdings können sich Katzen anstecken und auch in einem Steinmarder wurde der Virus nachgewiesen. Nicht betroffen sind Hunde, Rinder und Pferde.
  • Singvögel und Tauben gelten als nicht besonders anfällig für den Geflügelpest-Erreger. Deswegen bittet die Verbaucherschutzverwaltung darum, solche toten Vögel nicht zu melden. Warnung vor Berührung gilt aber – wie bei verendeten Wildtieren generell – auch für diese Vögel. nic

19 tote Vögel hat die Berliner Feuerwehr seit dem Fund vom Mittwoch zum Landeslabor Berlin-Brandenburg gebracht. »Die werden diesen Montag im Landeslabor beprobt«, sagt Lars Hoffmann, Sprecher der Verbraucherschutzverwaltung. Sollte sich der Verdacht in einer ersten Probe bestätigen, werden die Kadaver ins sogenannte nationale Referenzlabor geschickt. Das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) befindet sich auf der Ostseeinsel Riems. Erst wenn dort das Virus erneut nachgewiesen wird, sprechen die Behörden von einem bestätigten Fall. Wie lang eine mögliche Bestätigung dauern wird, kann Hoffmann nicht sagen. »Wir sind ja nicht der einzige Ort, wo die Vogelgrippe nachgewiesen wurde«, sagt er. Man könne sich also vorstellen, was im FLI inzwischen los sei. Im Gegensatz zum H5N1-Erreger, der vor einem Jahrzehnt weltweit für Aufregung sorgte, gebe es bisher »keine Erkenntnisse, dass H5N8 auf den Menschen überspringt«, betont Hoffmann. Weltweit wurde noch nie ein Fall berichtet, bei dem H5N8 vom Tier auf einen Menschen übertragen worden ist und dieser Mensch krank geworden ist.

Wie oft die Feuerwehr von der Bevölkerung wegen toter Vögel bereits gerufen wurde, kann deren Sprecherin nicht sagen. »Das läuft bei uns unter der Kategorie Technische Hilfeleistungskleineinsätze, worunter zum Beispiel auch die Katze im Baum fällt«, sagt sie.

Dass verstärkt Menschen Vogelkadaver melden, kann sie jedoch bestätigen. »Unsere Telefonleitungen brechen nicht zusammen, aber es gibt deutlich mehr Anrufe«, sagt sie. »Manchmal sind es Kadaver von vollkommen anderen Tieren, die gemeldet werden«, berichtet die Feuerwehrsprecherin. »In einem Fall war es ein Vogelgerippe.« »Vögel sterben jeden Tag, ohne an einer Vogelgrippe erkrankt zu sein«, gibt auch Verbraucherschutzsprecher Lars Hoffmann zu bedenken.

Zuständig für die konkrete Umsetzung von Maßnahmen zur Vogelgrippe sind die bezirklichen Veterinärämter. Friedrichshain-Kreuzberg erließ bereits am vergangenen Dienstag eine siebenseitige Allgemeinverfügung. Vor allem durch die sogenannte Aufstallungspflicht - Geflügel darf nicht mehr unter freiem Himmel gehalten werden - soll eine Infektion durch Wildvögel vermieden werden.

»So etwas wird durchaus kontrolliert«, sagt Michael Grunst (LINKE), bis vor kurzem Treptow-Köpenicker Ordnungsstadtrat. »Manche Ämter machen das stichprobenartig, andere kontrollieren alle Betriebe.« Angesichts der überschaubaren Dichte landwirtschaftlicher Betriebe in der Hauptstadt ist das machbar. Zu den größten Geflügelhaltern dürften Zoo und Tierpark zählen. Dort sind die Vögel bereits in die Winterquartiere umgezogen. Im Tierheim Berlin ist das Vogelhaus nach wie vor für Besucher geöffnet. »Es wäre im Interesse der Besitzer, Hunde und Katzen nicht frei laufen zu lassen«, sagt Grunst, allein schon wegen nicht ausgeschlossener Infektionsrisiken. Aber das sei kaum durchzusetzen.

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