Überlegungen zur Überlegenheit

Bundestagsabgeordnete machen sich Gedanken über Populismus und soziale Spaltung der Gesellschaft

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 2 Min.

Ein anschauliches Beispiel für die im Bundestag üblichen Tiraden, bei denen in halsbrecherischer Entfernung zur Absicht des politischen Gegners der verbale Treffer alles entscheidet, bot am Mittwoch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. In der Generaldebatte zum Haushalt 2017 warf er Sahra Wagenknecht vor, diese könne offenbar Donald Trump etwas abgewinnen. »Ihre Antwort auf den Populismus von rechts ist mehr Populismus von links.«

Die Fraktionsvorsitzende der LINKEN hatte zuvor in ihrer Rede die Politik der Großen Koalition für den Vormarsch der Rechten direkt verantwortlich gemacht. Wo die Würde und die Interessen der einfachen Menschen geringgeschätzt würden, sei der Zulauf zu den Rechtspopulisten der AfD folgerichtig. Es seien die Lügenmärchen, dass diese Politik alternativlos sei, die die Menschen an der Demokratie verzweifeln ließen. Und dann: »Offenbar hat selbst ein Donald Trump wirtschaftspolitisch mehr drauf als Sie.« Denn immerhin habe Trump begriffen, »dass gegen Krise und marode Infrastruktur nicht Kürzungspolitik hilft, sondern ein großangelegtes öffentliches Investitionsprogramm«.

Die Debatte zum Kanzlerinnenetat stand im Schatten der gerade verkündeten erneuten Spitzenkandidatur Angela Merkels, der Präsidentenwahl in den USA und des Vormarschs der Rechten in Deutschland und Europa. Oppermann teilte die Analyse Wagenknechts zur sozialen Spaltung der Gesellschaft nicht und damit auch nicht ihren Schluss, dass diese für den Vormarsch der Rechtspopulisten verantwortlich sei. Allerdings hält es Oppermann für geraten, den »Duktus der moralischen Überlegenheit« gegenüber den Anhängern der Rechtspopulisten abzulegen.

Auch Anton Hofreiter zeigte sich besorgt. Allen, denen etwas an der liberalen Demokratie gelegen ist, müsse der Vormarsch der Rechten in Deutschland und in Europa Sorgen machen, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen. Gemeinsam müsse man sich den Demagogen entgegenstellen. Keine soziale Not und »keine gefühlte Identitätsverunsicherung« rechtfertige rassistische, frauenfeindliche oder homophobe Handlungen. Doch auch Hofreiter warf der Regierung vor, zu wenig gegen die Spaltung der Gesellschaft, die Bekämpfung von Fluchtursachen und für den Klimaschutz zu tun.

Die Bundeskanzlerin ging kaum auf Wagenknechts Vorwürfe ein, die als Oppositionsführerin vor ihr gesprochen hatte. Sie versprach, sich für die Wahrung geordneter Verhältnisse und einer offenen Gesellschaft einzusetzen. »Viele Menschen machen sich in diesen Tagen Sorge um die Stabilität unserer gewohnten Ordnung«, sagte Angela Merkel. Deutschland müsse versuchen, seine freiheitlichen Werte gemeinsam mit der EU und den USA in die Welt zu tragen. Seite 6

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal