Bayern mit Delle

In München herrscht nach dem glücklichen 2:1 gegen Leverkusen vor allem Erleichterung

  • Maik Rosner, München
  • Lesedauer: 4 Min.

Je länger die Spieler des FC Bayern hinterher über ihren glücklichen 2:1-Sieg gegen Bayer Leverkusen sprachen, desto deutlicher wurde, dass die Welt der Münchner nach der umjubelten Rückkehr von Präsident Uli Hoeneß noch nicht in Ordnung ist. Als »Super-Bayern« waren sie nach dem Schlusspfiff von den Fans zwar besungen worden. Doch nach zuletzt drei sieglosen Spielen und zwei Niederlagen in Folge bestimmte am Samstagabend nicht Zufriedenheit die Stimmung, sondern vor allem Erleichterung, dass der Drei-Punkte-Rückstand auf Tabellenführer RB Leipzig vor den vorweihnachtlichen Fanklubbesuchen am Sonntag nicht noch weiter angewachsen war.

»Das war ein Sieg der Mentalität, nicht der Klasse oder der taktischen Überlegenheit«, erkannte Innenverteidiger Mats Hummels nach seinem ersten Tor für den FC Bayern nachdenklich. Es sei kein Erfolg »aus der Leckerbissenabteilung« gewesen, stattdessen »ein erkämpfter mit einigen Fehlern«. Und mit einigen Turbulenzen in der Schlussphase, als der knappe Vorsprung bedenklich ins Wanken geriet. »Am eklatantesten war, dass wir es am Ende nicht mehr geschafft haben, für Entlastung zu sorgen«, sagte Hummels und ließ durchblicken, nicht überzeugt zu sein vom mannschaftstaktischen Verhalten. Es habe in dieser Phase nach eigenen Kontern noch mal »wirklich, wirklich gebrannt« beim »Riesendruck auf die Viererkette plus den einen oder die maximal zwei Sechser. Da ging es dann noch einmal hin und her, was nicht unser Ziel war. Da hätten wir das Spiel besser kontrollieren müssen. Wir sind gerade eben nicht in der allerbesten Phase, die wir haben könnten.«

Die Kollegen äußerten sich ähnlich, und auch Hoeneß bilanzierte später im ZDF-Sportstudio, man schaffe es derzeit selbst nach zwei Führungen in einem Heimspiel nicht, »dass wir den Gegner richtig im Griff haben«. Der mühevolle Erfolg des Meisters stärkte eher die Eindrücke der vergangenen Wochen von fehlender Struktur und Linie, als sie zu mildern. Auch diesmal habe man »harte Arbeit« gebraucht, sagte Torwart Manuel Neuer und befand, es fehle der Mannschaft an »Leichtigkeit und Sicherheit«. Das war besonders in der Schlussphase zu erkennen gewesen, als Leverkusen nach einem Handspiel von Javier Martínez eigentlich einen Handelfmeter hätte zugesprochen bekommen müssen. »Da hätten wir uns nicht beschweren können«, räumte Neuer ein. »Klare rote Karte und klarer Elfmeter«, ergänzte Kevin Volland, dessen Kopfball von der Hand des Spaniers ans Außennetz gelenkt worden war, statt zum durchaus verdienten 2:2 ins Tor zu fliegen (82.). Vor Hummels (56.) hatten Thiago Alcántara (30.) für den FC Bayern und Leverkusens Hakan Calhanoglu (35.) zum 1:1-Pausenstand getroffen. »Das ist noch nicht das Bayern der letzten Jahre«, konstatierte Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler. Nur einmal in den vergangenen zwölf Spielen hatten die Münchner kein Gegentor hinnehmen müssen und in den vergangenen sieben Spielen immer mindestens eines. Zuletzt bei FK Rostow waren es sogar deren drei gewesen.

Gleich sieben Spieler waren nun in die Startelf rotiert. Die von Carlo Ancelotti angemahnten Verbesserungen im taktischen Verhalten ließen sich aber noch nicht wirklich erkennen. Der italienische Trainer fand dennoch, die Mannschaft habe eine »gute Reaktion« gezeigt, und zumindest Engagement ließ sie in der Tat nicht vermissen. »Es gibt Phasen, in denen ein Sieg wichtiger ist als schön zu spielen«, sagte Ancelotti, dem Vorstandschef auf der Jahreshauptversammlung am Freitagabend »unser vollstes Vertrauen« ausgesprochen hatte.

Ähnliches gilt für Franck Ribéry. Am Sonntag gaben die Bayern die erwartete Vertragsverlängerung mit dem 33 Jahre alten Franzosen bis zum 30. Juni 2018 bekannt. »Ich bin sehr glücklich, ein weiteres Jahr für den FC Bayern spielen zu dürfen«, sagte Ribéry, seit 2007 in München.

Gegen Bayer Leverkusen hatte es eines Standards bedurft, um die zunehmende optische Überlegenheit in einen Ertrag zu überführen. Joshua Kimmichs Eckball köpfte Hummels ins kurze Eck. Ein Tor ohne konkreten Plan, wie der Innenverteidiger einräumte. Standards habe man zwar geübt. »Die Art und Weise, wie das Tor gefallen ist, war aber kein Teil davon, sondern mehr spontan. Den Ball auch mal einfach in die Mitte zu schlagen, ist manchmal auch nicht verkehrt«, sagte Hummels. Dass Kimmich weder als Eckballschütze vorgesehen gewesen war noch einstudierte Abläufe zur Anwendung kamen, unterfütterte den Eindruck, dass beim FC Bayern derzeit eher das Prinzip Zufall zum Tragen kommt.

Nach der Jahreshauptversammlung am Freitagabend hatte Hoeneß bereits eine Agenda für die Verfolgungsjagd auf Leipzig aufgestellt. »Wir haben sportlich im Moment eine Delle, die wir sicherlich bald hinter uns bringen können«, hatte er gesagt, »wir müssen versuchen, bis Weihnachten dran zu bleiben. Wir müssen alle Kräfte sammeln, damit wir spätestens mit Beginn der Rückrunde alles wieder ins Lot bringen können.«

Die zuvor auch vom Vorstandschef der Bayern Karl-Heinz Rummenigge ausgerufene Jagd auf den Aufsteiger verläuft allerdings eher in Trippelschritten. Hoeneß frohlockte dennoch, Leipzig komme am 21. Dezember ja nach München, dann würden die Kräfteverhältnisse im deutschen Fußball wieder zurechtgerückt, »davon bin ich überzeugt«. Was nach selbstbewusster Zuversicht klang, war indes wohl eher Ausdruck seiner Hoffnung.

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