Malema gibt den Anwalt der schwarzen Mehrheit

In Südafrika bringt ein Verfahren gegen linksradikalen Politiker die Landfrage auf die Tagesordnung

  • Christian Selz
  • Lesedauer: 3 Min.

Südafrika debattiert die Landfrage. Jüngster Anlass ist ein Verfahren gegen Julius Malema, den Vorsitzenden der linksradikalen Oppositionspartei Economic Freedom Fighters (EFF). Der musste sich Mitte November vor dem Amtsgericht Bloemfontein des Vorwurfs erwehren, zu Straftaten aufgerufen zu haben. Im Dezember 2014 forderte er Anhänger seiner Partei auf, brachliegende Farmen zu besetzen.

Dem Verfahren liegt ein Gesetz von 1956 zugrunde, mit dem das damalige Apartheidregime auf die ein Jahr zuvor verabschiedete Freiheitscharta des African National Congresses (ANC) reagiert hatte. Land und Bodenschätze sollten dem Volk gehören, hatte die damalige Befreiungsbewegung und heutige Regierungspartei in der Charta proklamiert.

Also schufen die weißen Rassisten ein weiteres Instrument, um Schwarze hinter Gitter zu bringen. Malema sagt daher nicht unbegründet, er werde mit einem Apartheidgesetz verfolgt. Doch das Verfahren nutzt er als politische Bühne. »Mich trifft das überhaupt nicht«, sagte er dem Fernsehsender SABC. Das Gesetz habe keinen Platz mehr in Südafrika, weil es darauf abzielte, Europäer vor Nicht-Europäern zu schützen. Zudem sei das Verfahren gegen ihn politisch motiviert, seine EFF solle zum Schweigen gebracht werden.

Malema, einst Vorsitzender der ANC-Jugendliga, hatte die Partei vor drei Jahren gegründet. Seitdem fordert die EFF eine Landumverteilung ohne Kompensationszahlungen sowie die Verstaatlichung von Banken und Bergbaubetrieben. Bei den Parlamentswahlen 2014 erreichte sie damit 6,4 Prozent, bei den landesweiten Kommunalwahlen im August dieses Jahres gar 8,3. Sie ist damit inzwischen drittstärkste politische Kraft Südafrikas.

Malemas Erfolg beruht auf der noch immer tiefen Spaltung der Gesellschaft sowohl in Arm und Reich als auch in Schwarz und Weiß. Er gibt den Anwalt der verarmten schwarzen Mehrheit - und er polarisiert. »Wir rufen nicht dazu auf, weiße Menschen abzuschlachten«, sagte er nach einem ähnlich gelagerten Gerichtsverfahren vor wenigen Wochen in der Kleinstadt Newcastle in der Provinz KwaZulu-Natal - und fügte hinzu: »Zumindest momentan nicht.«

Der SABC gegenüber erklärte er auf die Frage, ob man sich auf einen Zeitpunkt vorbereiten solle, an dem die EFF die Weißen aus Südafrika vertreiben wolle: »Das weiß ich nicht, ich bin kein Prophet.« Ins Meer getrieben solle zumindest derzeit niemand werden, führte er aus, um dann die Brücke zum eigentlichen Problem zu schlagen: »Lasst uns das Land friedlich an seine rechtmäßigen Besitzer zurückgeben.« Und wenn es dazu nicht kommt? Auch der ANC habe lange versucht, Südafrika friedlich zu verändern, erklärte Malema vielsagend. Die Befreiungsbewegung sei dann aber zum bewaffneten Kampf übergegangen.

»Man muss ihn als den Kanarienvogel in der Kohlegrube verstehen«, erklärte der Leiter des Instituts für Armut, Land und Agrarstudien an der Universität von Western Cape, Professor Ben Cousins, im Radiosender Cape Talk. Malemas Erfolg sei »ein klares Signal, dass die Menschen unglücklich sind und Landbesetzungen als Möglichkeit sehen könnten«. Die Landreform des ANC komme sehr langsam voran und sei eher ineffektiv. Sie verringere Armut nicht und die landwirtschaftliche Produktion sei noch immer wenig beeindruckend, so Cousins. Ein Großteil des Agrarlandes befindet sich noch immer in Händen einer kleinen Zahl weißer Farmer.

Malemas Worte mögen Südafrika weiter polarisieren, doch die Gründe für die Spaltung hat er nicht geschaffen, sie liegen in den Eigentumsverhältnissen. »Warum sollen unsere Leute zusammengepfercht schlafen, wenn Land brachliegt?«, fragt der EFF-Vorsitzende rhetorisch im Fernsehen. In den Townships findet er damit Gehör, der Prozess gegen ihn wird dort auch als Prozess gegen die Forderung nach radikaler Veränderung gesehen.

Die Entscheidung des Gerichts wurde zur Nebensache: Auf Juni 2017 ist das Verfahren zunächst vertagt worden. Malemas Anwälte wollen Verfassungsklage gegen das Gesetz aus der Apartheid einlegen, nach dem ihr Mandant angeklagt wird. Die EFF wird damit weiter eine Bühne haben und die Landfrage in Südafrika ohnehin auf der Tagesordnung bleiben.

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