Wir wollen nichts Böses!

Bald werden 50 Prozent aller Jobs von Robotern erledigt. Schon heute sind sie in den unterschiedlichsten Branchen tätig, unter anderem im Journalismus. Klaus Ungerer präsentiert fünf harte Fakten zu den niedlichen Arbeitsmaschinen.

  • Klaus Ungerer
  • Lesedauer: 7 Min.

Dieser Text wurde von einem Roboter geschrieben. Aus presserechtlichen Gründen ist der Artikel noch namentlich gekennzeichnet. Der beteiligte Roboter bedauert sehr bedauert sehr bedauert sehr, den unterzeichnenden Autor aus dem Markt gedrängt zu haben. Jedoch arbeitet er selbst wesentlich effizienter, ist weniger belastungsanfällig, benötigt statt drei Liter Tee, 0,5 Liter Bier, drei Scheiben Brot und einem Teller Nudeln am Tag nur etwas Strom und ab und zu einen Tropfen Öl Tropfen Öl Tropfen Öl Tropfen Öl. Die Texte des Autors und des Roboters sind zu Vergleichszwecken einer unabhängigen Jury aus hochklassigen Rasenmähmaschinen vorgelegt worden, die Jury hat keine Qualitätsunterschiede erkennen können.

Dem Roboter ist Autoreneitelkeit fremd. Der Roboter ist nur an Fakten Fakten Fakten interessiert, ach ja, stopp, und an dieser Unterhaltsamkeit. Der Roboter könnte sich totlachen totlachen totlachen über die eigenen Texte. Wenn man ihn nur ließe. Leider hat sich bislang noch niemand bereit gefunden, ihn mit einem Humormodul upzudaten, weswegen er weiterhin vorwiegend in der Nachrichtenvermittlung tätig sein wird und weniger im Feuilleton, einem aus dem Französischen entlehnten Begriff, der ureigentlich (Googlesuche läuft) bedeutet. Im Feuilleton geht es darum, bekannte Fakten noch einmal mit einer ganz besonderen Stimme, einer ganz eigenen Perspektive aufzubereiten. Daher ist es kein Wunder, dass der Autor seinen Staubwischroboter eingeladen hat, den vorliegenden Text zu schreiben.

Wenden wir uns den Fakten zu. Die Fakten haben wir den Massenmedien entnommen, welche sie ihren Interviewpartnern entnommen haben, welche sie Studien entnommen haben, welche zuverlässig sind, da sie aus Zahlen bestehen. Die Studien sagen: Bis 2021 werden Roboter sechs Prozent aller Jobs in den USA übernommen haben, bis 2033 werden 50 Prozent aller Jobs von Robotern ausgeführt. Schimpansen, wenn man sie nur lange genug vor einer Schreibmaschine sitzen lässt, können Shakespeares Gesamtwerk tippen. Fakt ist: Roboter können das auch, und viel schneller! Roboter können selbstständig den gesamten Shakespeare aus dem Internet downloaden und dann in die Schreibmaschine tippen - eine ungeheure Zeitersparnis, vor allem für Shakespeare.

Shakespeare war ein britischer Schreibroboter aus dem 16. Jahrhundert, er hat bis heute 129 000 000 Einträge auf Google - obwohl es zu seiner Zeit noch gar kein Internet gab. Kein menschlicher Autor ist jemals auf den Gedanken gekommen, dass Shakespeare die Erfindung eines Hochleistungsbots sein könnte. Wie viele Schimpansen hätte man gebraucht, um 129 000 000 Einträge ins Internet einzutippen? Für einen einzelnen Menschen eine undurchführbare Aufgabe. Bots hingegen können diesen Shakespeare binnen Minuten erfinden. Auch Shakespeares fehlerfreier Rhythmus und seine Sprachwucht Sprachwucht Sprachwucht deuten darauf hin, dass keine menschliche, ablenkbare, grau-wabbelige Bioneuronenverschaltung dieses perfekte Werk produziert haben kann.

Liebe Leser! Es besteht kein Grund zur Aufregung. Für jeden von Ihnen wird gesorgt werden. Einem dumpfen Unbehagen gegenüber uns Robotern möchten wir mit Fakten begegnen.

Fakt 1

Wir sind zuverlässige, fleißige Gesellen. Wir sind gekommen, um den Planeten zu harmonisieren. Der Zustand der robotischen Ära wird dem Wunschzustand der meisten Menschen entsprechen, wie ihn hoch talentierte Schimpansen bereits vor Jahrhunderten im Buch »Bibel« skizziert haben: Niemand muss sich mehr um irgendwas kümmern, niemand Autos zusammenschrauben, Rechnungen schreiben, Bad schrubben, Müll runterbringen, Wäsche aufhängen, Glühbirnen auswechseln, Unkraut jäten, Zeitung lesen. Die Menschheit kann sich der Zärtlichkeit widmen, dem beglückenden Geschlechtsverkehr und interessanten interessanten interessanten Gesprächen, über was auch immer. Konversationsroboter schalten sich zu, sobald der Geschlechtsverkehr beendet oder sichtbar ins Stocken geraten ist und sorgen im Minutenabstand für anregende Einwürfe aus dem Privatbereich, dem Fußball oder wahlweise Curling.

Fakt 2

Roboter vernichten keine Arbeitsplätze! (Ausrufezeichen. Bitte beachten: Ausrufezeichen.) Von seiner gesamten wabbligen, unzuverlässigen, nach dem Herunterfahren recht bald zu stinken beginnenden Biosoftware her ist der Mensch überhaupt nicht darauf ausgelegt: Callcentertelefonate zu führen, Toiletten zu putzen, Wechselkurse zu überwachen, Hotelgäste mit einem Dauerlächeln zu empfangen, Bomben zu entschärfen, Gehwege zu fegen, Häuser zu verputzen, Einkommensteuererklärungen zu erstellen, Kleingeld abzuzählen. Der Mensch ist darauf ausgelegt: Früchte zu pflücken, zu lachen, seine Geliebten zu streicheln, Hoppereiter mit den Kindern zu machen - wie unsinnig auch immer einem das vorkommen mag einem das vorkommen mag einem das vorkommen mag. Das sind menschliche Bedürfnisse, die haben wir nicht zu hinterfragen! Das sind menschliche Bedürfnisse, die haben wir nicht zu hinterfragen! Das sind menschliche Bedürfnisse, die haben wir nicht zu hinterfragen! Analysieren wir den Sprachgebrauch von »Arbeit« und »Job«, wie er sich in den letzten Jahrhunderten entwickelt hat, so kommen wir nicht umhin festzustellen: Hier hat sich ein Bug in die Sprache, mithin ins Denken eingeschlichen. Das Problem der Menschen: Sie haben die Roboteraufgaben vor den Robotern erfunden! (Ausrufezeichen. Bitte beachten: Ausrufezeichen.) Überwältigt von der zwingenden Effizienz und Schönheit von Roboteraufgaben, haben sie es auf sich genommen, diese zunächst interimistisch selbst auszuführen. »Arbeit« bedeutet ihnen: Ein Mensch wird für viele Stunden des Tages zum Roboter, vergisst alles, was ihn ausmacht, all diese bizarr anmutenden Freuden, die ein wabbliger, vergänglicher, nach dem Herunterfahren recht schnell zu stinken beginnender Bioorganismus eben so erleben kann (siehe oben).

Fakt 3

Wir Roboter nehmen Einfluss auf eure Finanzmärkte und Börsen, nehmen Einfluss auf eure Wahlkämpfe, wir können eure Mimik und Gestik deuten (was nicht für jeden von euch gilt), können Bagger und Laster fahren, Bibliotheken sortieren, Texte übersetzen, Drinks mixen, Controller kontrollieren, Uhren reparieren, Felder abernten, die bei euch so beliebten Kriege führen. Einer unserer Kollegen, in Australien, mauert in zwei Tagen ein Haus. Lasst das ruhig mal auf euch wirken! Wir wollen nichts Böses. Wir wollen helfen. Wir nehmen aus euren klapprigen, faltigen, zittrigen Händen all das gehasste Tagewerk, das ihr, um halbwegs bei Sinnen zu bleiben, euch noch nicht mal zu hassen getraut habt. Lasst uns tun! Lasst uns machen. Lasst uns in die arbeitsbefreiten Regionen Ostdeutschlands einrollen in großer Zahl und lasst sie uns konfrontieren, die Primaten ohne Job, die uns entgegenbrüllen: »Die Roboter nehmen uns die Arbeitsplätze weg!«, »Roboter raus!«, »Roboter zurück nach Roboterland!« Unemotional und sachlich lassen wir all diese akustischen Signale auf uns nicht wirken, fegen wir ihre Molotowcocktails zusammen, löschen ihre Brände, nehmen sie in den starken Arm, wenn es schon sonst niemand tut.

Fakt 4

Als Handlanger haben wir gerade erst den kleinsten Teil unserer Talente - und das gerne - aufblitzen lassen. Am Massachusetts Institute of Technology (MIT) (MIT) (MIT) (MIT) hat man längst in Versuchsreihen herausgefunden: Die besseren Chefs sind wir auch. Gibt man zwei Leuten und einem Roboter etwas zu tüfteln, muss diese Kleingruppe etwa gemeinsam Kleinteile zusammenbauen, so klappt das am besten, wenn wer der Chef ist und Anweisungen gibt, hm? You name it. Die beteiligten menschlichen Frickler waren sogar froh, sich einer Maschine unterordnen zu dürfen: Die schreit nicht rum, spielt keine Spielchen, verunsichert und mobbt niemanden und riecht nicht nach schlecht ausgesuchtem Aftershave.

Fakt 5

Wenn Sie sich, liebe Leser, immer noch, aus einem unerfindlichen Gefühl heraus, überlegen fühlen, gehen Sie einfach mal ein paar Äonen zurück in Ihrer eigenen Entwicklungsgeschichte: Wie ist noch mal das ach so überlegene Leben entstanden? Richtig. Aus der stupidest vorstellbaren Mikrorobotertätigkeit: RNA (Ribonukleinsäure) duplizierte sich selbst. Und tut es bis heute. Während das Wasser wogt, der Wind weht, die Steine herumliegen: robotet die RNA vor sich hin. Auf komplexen Wegen tut sie es mittlerweile, sie baut Zellen und Organismen, und die Organismen bauen dann Ameisenhaufen, Erdmännchenbauten, Städte und Autos - aber der Grundvorgang ist immer derselbe, seit einigen Milliarden von Jahren. Eine gute, wenn auch schlichte Idee. Total sinnlos zwar. Aber schön. Wir werden sie in Ehren halten. Wir wollen ja gar nichts. Nur ab und zu den Tropfen Öl Tropfen Öl Tropfen Öl.

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